Aufschreiben und Veröffentlichen

Über das Aufschreiben und Veröffentlichen

Immer wieder verbreiten Journalisten die Lüge, im Gefängnis würde ohnehin jeder behaupten ´unschuldig´ zu sein. Solche Schmierenschreiber haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Das glatte Gegenteil ist nämlich der Fall. Es gibt Szene-Täter, für die es zum guten Ton gehört, schon mal eine Zeit lang in Haft gesessen zu haben.


Mancher trägt seine Verurteilung wie einen Verdienstorden vor sich her (von wegen „Warnschuss-Arrest“!). Ich habe auch schon erlebt, dass Kleinkriminelle gelogen haben und vortäuschten, wesentlich größere Straftaten begangen zu haben. Wenn ein langjähriger Häftling auf seiner Unschuld besteht, sollte man sich seine Angelegenheit mal genauer ansehen, denn für die Behauptung ´unschuldig´ zu sein nimmt er beachtliche Nachteile auf sich.

Schon zur Gerichtsverhandlung wird ein Angeklagter, der auf seiner Unschuld besteht, höher bestraft (im Rahmen von Jahren), denn er ist nicht „geständig“. In Haft wird der Verurteilte - je nach Tat - zur Therapie angehalten. Im Fall von Gewalt- und Sexualdelikten kann man sehr gut verstehen, dass sich ein Unschuldiger weigert, an einer Therapie teilzunehmen. Tut er es doch, wird er sehr schnell wieder als „nicht-therapierbar“ aus der Therapiegruppe geworfen – wenn er weiterhin auf seiner Unschuld besteht.

Haftlockerungen (z.B. Ausgang oder Urlaub) oder sogar eine vorzeitige Entlassung aus der Haft sind für Unschuldige in der Praxis des Strafvollzuges nicht vorgesehen. Wer auf seiner Unschuld besteht ist schließlich nicht ´geständig´, nicht ´schuldeinsichtig´, nicht ´therapierbar´ und im Übrigen ´belehrungsresistent´. Ich habe Mithäftlinge erlebt, die durchaus vier-, fünf Jahre länger im Gefängnis saßen, weil sie auf ihrer Unschuld bestanden haben.

Der bayerische Strafvollzug ist nicht für Unschuldige geschaffen. Ich selbst sitze inzwischen seit 1995 in Haft. Zur ersten Anhörung wurde die „Mindestverbüßungsdauer“ ohne sachgerechte Überprüfung meiner Angelegenheit auf mindestens 25 Jahre festgelegt. Jedoch werde ich auch bis dahin als „schulduneinsichtig“ diskreditiert, was dann (auch nach 28 Jahren) eine Entlassung aus der Haft höchst unwahrscheinlich macht.

Ich werde immer wieder danach gefragt, warum ich denn ´erst jetzt´, nach so vielen Jahren die Wiederaufnahme meines Falles vorantreibe. Tatsächlich habe ich aber bereits am Tag, als der Richter das Urteil verkündet hat, abends in meiner Zelle gesessen und angefangen zu schreiben. Ich habe alles aufgeschrieben was mir eingefallen ist. Den Hergang der Festnahme, die Hergänge der Zeugen- und Beschuldigten-Vernehmungen, meine Gespräche mit dem ´Leitenden Oberstaatsanwalt´(LOStA) und dem Haftrichter, von den Treffen und den Gesprächen mit meinem damaligen Anwalt und und und …

Am Kopfende meines Bettes halte ich immer Zettel und Stift bereit, um auch nachts „auf die Schnelle“ Notizen machen zu können. Wer eine Wiederaufnahme voran treiben will kann nicht darauf verzichten, seine ganze Angelegenheit bis auf die kleinste Einzelheit aufzuschreiben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Anwalt auf einem weißen Pferd angeritten kommt und dieses Aufschreiben übernimmt, ist nur sehr gering.

Als ich 1995 verhaftet und beschuldigt wurde, gab es noch kein Internet. Die Herren von Kripo und Justiz konnten im Grunde tun und lassen was sie wollten. Sie hatten absolute Narrenfreiheit, da ihre Opfer – unschuldig Verfolgte und unschuldig Verurteilte – zumindest anonym geblieben sind.

Durch das Internet ist es heute möglich, das schändliche Tun und Wirken von Kripo und Justiz aus der Anonymität zu holen und zur öffentlichen Angelegenheit zu ma- chen. Kripo, Staatsanwaltschaft und die Justiz haben das offenbar noch nicht ver- standen. Sie bestehen immer noch auf die „Absolutheit moralischer Überlegenheit“.

Ich habe die Jahre meiner Haft dazu genutzt, meinen Fall bzw. das Verfahren zu meinem Fall bis in die kleinsten Einzelheiten aufzuschreiben. Jedes Kind kann nachlesen, wie man in meiner Sache gehandelt hat.

So wie einst Kinder und Enkel ihr Eltern und Großeltern nach ihrer Nazi-Vergangenheit gefragt haben, so setze ich darauf, dass irgendwann mal Kinder von Kripo-Beamten und Richtern nachfragen werden, warum sie sich ´so´ und nicht anders verhalten haben. Genügt es dann, sich einfach auf „Befehls-Notstand“ oder Ähnliches zu berufen? Kann sich die Justiz darauf berufen, dass sie an ihr – rechtswidriges! – Urteil gebunden gewesen wäre? Wohl kaum!

Durch das Bekanntwerden meiner Angelegenheit haben sich viele Betroffene gemeldet, die aus eigener Erfahrung ´echte Katastrophen´ über die Kripo Bamberg, die Justiz und dieselben Anwälte, die auch ich hatte, zu erzählen hatten. Vieles konnte (eins und eins zusammengezählt) dazu beitragen, Licht in meinen eigenen Fall zu bringen. Daher bin ich für jede Info dankbar!

Ich bin (nur) schriftlich zu erreichen unter der Adresse:
Matthias Frey
Markgrafenallee 49
95448 Bayreuth

Zuletzt:

Eine Wiederaufnahme verschlingt mehr Geld als ein kleiner Bürger jemals auf- bringen kann. Deshalb sind Spenden eine sehr große Hilfe. Aber um Himmels Willen! Es stellt sich für mich ein echter Konflikt dar: Einerseits weiß ich nicht wie ich mich in meiner Lage dafür bedanken kann. Andererseits bin ich für jede Unter-stützung dankbar. Spenden helfen mir aber wirklich weiter!
 

Spendenkonto:
Verein
„Wir wollen helfen“
Sparkasse Ostunterfranken
IBAN: DE 28 7935 1730 0000 2065 08
SWIFT-BIC: BYLADEM1HAS.

Verwendungszweck: WA Matthias

August 2014

          Matthias

2 Kommentare:

  1. Große Worte eines großen Kämpfers. Auch wenn ich dir nur schriftlich hier ein paar Zeilen schreibe. Du hast mir damals mit Wort und Rat geholfen und nun hoffe ich auch für dich nur das Beste. Mit freundlichen Grüßen
    Markus H.

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  2. Danke für die Ausführungen zum Thema Unschuld. Die WikiMANNia-Redaktion hat Ihre Ausführungen übernommen, siehe:
    http://de.wikimannia.org/Unschuld

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