4.0 Die
Wiederaufnahmebemühungen
Allgemeines
Sind die Rechtsmittel gegen Urteile erschöpft,
wird ein Urteil, seies auch noch so falsch und oder rechtswidrig, trotz
allem rechtsräftig. Justizirrtümer
und Fehlurteile können dann nur noch in einem Wiederaufnahmeverfahren beseitigt
werden. Allerdings ist die Wiederaufnahme nur in den gesetzlich abschließend
geregelten, strengen Ausnahmefällen zulässig. Schon dadurch sind hohe Hürden für eine Wiederholung
der Hauptverhandlung gesetzt. In der Praxis sind jedoch zusätzlich Abwehrreaktionen
der Staatsanwälte und Richter zu beobachten. Verurteilte, die sich gegen ein
Fehlurteil zur Wehr setzen wollen, müssen außerordentliche rechtliche Anforderungen
erfüllen und hohen finanziellen Aufwand
tragen. Wiederaufnahmeverfahren sind daher recht selten.
Eingeleitet wird das Wiederaufnahmeverfahren
durch einen formgebundenen Antrag,
der die Wiederaufnahmegründe und die Beweismittel angeben muss. Vom
Verurteilten kann der Antrag nur mit einem Strafverteidiger gestellt werden. Der Antrag selbst
führt - anders als bei Berufung und Revision - noch
nicht dazu, dass die Wirksamkeit, also die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit
des angefochtenen Urteils aufgeschoben wird.
Das zuständige Gericht nimmt zunächst eine
Zulässigkeitsprüfung (sog. Additionsverfahren) vor und prüft insbesondere, ob
der Antrag die gesetzliche Form wahrt, ob er gesetzliche Wiederaufnahmegründe geltend macht und ob er geeignete Beweismittel anführt. Das Gericht
entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, der entweder auf „Verwerfung“
des Antrages als unzulässig oder auf dessen Zulassung lautet.
Dann prüft das Gericht (im sog. Probationsverfahren),
ob der Wiederaufnahmeantrag im Prinzip auch begründet ist, d.h. ob die Voraussetzungen
der im Gesetz genannten Wiederaufnahmegründe auch tatsächlich vorliegen.
Entscheidend ist dabei, ob die geltend gemachten Wiederaufnahmetatsachen „genügende
Bestätigung“ gefunden haben. Das ist der Fall, wenn aufgrund der Beweisaufnahme
ihre Richtigkeit hinreichend wahrscheinlich ist. Ein voller Beweis ist dagegen
nicht erforderlich („Inbegriff der Hauptverhandlung“!).
Anschließend ergeht ohne mündliche Verhandlung ein Beschluss des
Gerichtes. Lehnt es die Wiederaufnahmevoraussetzungen ab, verwirft es den
Wiederauf-nahmeantrag. Hiergegen kann der Antragsteller sofortige Beschwerde
einlegen. Bejaht das Gericht die Begründetheit, ordnet es i.d.R. die
Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an.
Dieser Beschluss hat weitreichende Bedeutung, da er die Rechtskraft und vor
allem die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils beseitigt. Er versetzt
das Verfahren also in den Zustand zurück, in dem es sich vor dem Urteil
befunden hat. Die Vollstreckung des Strafurteils muss demnach sofort beendet
werden.
In der neuen Hauptverhandlung hat das Gericht neu und selbständig
über den Anklagevorwurf zu entscheiden, so, als wenn zuvor niemals ein Urteil
ergangen wäre. Insbesondere muss die gesamte Beweisaufnahme vollständig
durchgeführt, d.h. also etwa Zeugen vernommen werden usw. Die neue Verhandlung
kann, wie jede andere „normale“ Hauptverhandlung mit Verurteilung oder
Freispruch (oder auch Einstellung) enden. Wird der Verurteilte frei gesprochen,
muss das bisherige Urteil aufgehoben werden.
Rudolf Frey
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