4.3 Der dritte Anlauf - WA-Antrag
wird
nun endlich auch eine Entscheidung in der Sache selbst und damit
für Matthias die so lange ersehnte Freiheit bringen. Es ist unglaublich, welch unermessliche Kraft er braucht, als Unschuldiger alles zu überstehen.
Werden die wahren Mörder weiter geschützt?
Recht muss Recht bleiben!
Rudolf
Frey
Die Formatierung wird verbessert!
Abschrift
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p a r t n e r s c h a f t
Inhaltsverzeichnis des Wiederaufnahmeantrages
Kapitel Seite
A) Vorbemerkungen 2
B) Prozessgeschichte 6
C) Wiederaufnahmegründe 8
I. Neue Tatsachen im Kontext der Hauptverhandlung, § 359 Nr. 5 StPO
1. Wiederaufnahmegrund 8
2. Sachverhalt laut Urteil vom 26.06.1996 10
a) Vorgeschichte nach Überzeugung der Kammer 10
b) Hergang der Tötung des F. Appel nach Überzeugung der Kammer 12
c) Hergang der Tötung der L. Vacca nach Überzeugung der Kammer 16
3. Maßgebliche Beweiswürdigung im Urteil 19
a) Unverwertbares Formalgeständnis 19
b) Offenkundige Mängel der Beweisaufnahme 20
aa) Polizeiliche und ermittlungsrichterliche Vernehmungen 22
(1) Unzulässiges Verhalten der Ermittlungsbehörden
im Vorfeld der Vernehmungen 24
(α) Wohnungsdurchsuchung bei der Familie Frey 24
(β) Vermeintlicher Anfangsverdacht
aufgrund der Aussage des Zeugen Degen 26
(2) Unzulässige Vernehmungsmethoden 29
(3) Unzulässige Beschuldigtenvernehmung 33
bb) Falschgeständnis passt erkennbar nicht
zu Ermittlungsergebnissen 36
(1) Unstimmigkeiten im Fall F. Appel 38
(α) Todesursache bei F. Appel 38
(β) Todeszeitpunkt des F. Appel 50
(γ) Leichenfundort kann nicht der Tatort
gewesen sein 56
(δ) Ablauf unglaubwürdig 58
(ε) Fehlendes Motiv 63
(2) Unstimmigkeiten im Fall L. Vacca 64
(α) Leichenfundort indiziert anderen Tatablauf 64
(β) Todesursache durch Strangulation
gänzlich unberücksichtigt 67
4. Wiederaufnahmerechtliche Würdigung 72
II. Rücknahme des anfänglichen Falschgeständnisses, § 359 Nr. 5 StPO
1. Wiederaufnahmegrund 74
2. Das anfängliche „Geständnis“ 76
3. Beweggründe des Falschgeständnisses 77
4. Tatsächlicher Geschehensablauf 86
a) Geschehen zum Nachteil des F. Appel 86
b) Geschehen zum Nachteil der L. Vacca 92
5. Der Aufsatz „Die verschwundene Leiche“ 95
6. Erheblichkeit des Falschgeständnisses für die Urteilsfindung 106
7. Bewertung der Vernehmungen und
der Einlassungen in der Hauptverhandlung 108
8. Wiederaufnahmerechtliche Würdigung 109
Seite 3 von 3
III. Weitere neue Tatsachen, § 359 Nr. 5 StPO
1. Wiederaufnahmegrund 110
2. Der Fall F. Appel 111
a) Eklatant einseitige und unzureichende Ermittlungen 111
b) Aussage des Zeugen D. Diegel 114
c) Unstimmigkeiten aufgrund von Zeugenaussagen 117
d) Das psychologische Gutachten 120
3. Der Fall L. Vacca 125
a) Wusste die Polizei von L. Vacca´s Tod vor deren Auffinden? 125
b) Spermaspuren wurden nie auf andere
mögliche Verdächtige untersucht 126
c) Ignorierte Hinweise auf eine „Tätermehrheit“ 127
4. Wiederaufnahmerechtliche Würdigung 132
D) Antrag auf Anordnung der Unterbrechung des Strafvollzugs 133
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p a r t n e r s c h a f t
Inhaltsverzeichnis des Wiederaufnahmeantrages
Kapitel Seite
A) Vorbemerkungen 2
B) Prozessgeschichte 6
C) Wiederaufnahmegründe 8
I. Neue Tatsachen im Kontext der Hauptverhandlung, § 359 Nr. 5 StPO
1. Wiederaufnahmegrund 8
2. Sachverhalt laut Urteil vom 26.06.1996 10
a) Vorgeschichte nach Überzeugung der Kammer 10
b) Hergang der Tötung des F. Appel nach Überzeugung der Kammer 12
c) Hergang der Tötung der L. Vacca nach Überzeugung der Kammer 16
3. Maßgebliche Beweiswürdigung im Urteil 19
a) Unverwertbares Formalgeständnis 19
b) Offenkundige Mängel der Beweisaufnahme 20
aa) Polizeiliche und ermittlungsrichterliche Vernehmungen 22
(1) Unzulässiges Verhalten der Ermittlungsbehörden
im Vorfeld der Vernehmungen 24
(α) Wohnungsdurchsuchung bei der Familie Frey 24
(β) Vermeintlicher Anfangsverdacht
aufgrund der Aussage des Zeugen Degen 26
(2) Unzulässige Vernehmungsmethoden 29
(3) Unzulässige Beschuldigtenvernehmung 33
bb) Falschgeständnis passt erkennbar nicht
zu Ermittlungsergebnissen 36
(1) Unstimmigkeiten im Fall F. Appel 38
(α) Todesursache bei F. Appel 38
(β) Todeszeitpunkt des F. Appel 50
(γ) Leichenfundort kann nicht der Tatort
gewesen sein 56
(δ) Ablauf unglaubwürdig 58
(ε) Fehlendes Motiv 63
(2) Unstimmigkeiten im Fall L. Vacca 64
(α) Leichenfundort indiziert anderen Tatablauf 64
(β) Todesursache durch Strangulation
gänzlich unberücksichtigt 67
4. Wiederaufnahmerechtliche Würdigung 72
II. Rücknahme des anfänglichen Falschgeständnisses, § 359 Nr. 5 StPO
1. Wiederaufnahmegrund 74
2. Das anfängliche „Geständnis“ 76
3. Beweggründe des Falschgeständnisses 77
4. Tatsächlicher Geschehensablauf 86
a) Geschehen zum Nachteil des F. Appel 86
b) Geschehen zum Nachteil der L. Vacca 92
5. Der Aufsatz „Die verschwundene Leiche“ 95
6. Erheblichkeit des Falschgeständnisses für die Urteilsfindung 106
7. Bewertung der Vernehmungen und
der Einlassungen in der Hauptverhandlung 108
8. Wiederaufnahmerechtliche Würdigung 109
Seite 3 von 3
III. Weitere neue Tatsachen, § 359 Nr. 5 StPO
1. Wiederaufnahmegrund 110
2. Der Fall F. Appel 111
a) Eklatant einseitige und unzureichende Ermittlungen 111
b) Aussage des Zeugen D. Diegel 114
c) Unstimmigkeiten aufgrund von Zeugenaussagen 117
d) Das psychologische Gutachten 120
3. Der Fall L. Vacca 125
a) Wusste die Polizei von L. Vacca´s Tod vor deren Auffinden? 125
b) Spermaspuren wurden nie auf andere
mögliche Verdächtige untersucht 126
c) Ignorierte Hinweise auf eine „Tätermehrheit“ 127
4. Wiederaufnahmerechtliche Würdigung 132
D) Antrag auf Anordnung der Unterbrechung des Strafvollzugs 133
MAGOLD, WALTER &
HERMANN
R e c h t s a n w a l t s
p a r t n e r s c h a f t
Dr. Malte Magold
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Florian Walter *
Rechtsanwalt
Jens Hermann~
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht
Dr. Sandra
Koch-Schlegtendal °
Rechtsanwältin
Mediatorin (DAA)
Sandra Dotterweich °
Rechtsanwältin
Oedenberger Straße 149
90491 Nürnberg
Gerichtsfach 69
Telefon 0911 37288-0
Telefax 0911 37288-88
www.kanzlei-mwh.de
info@kanzlei-mwh.de
* ausgeschieden zum 01.01.07
° in freier Mitarbeit
Unsere Kanzlei kooperiert
mit:
Diplom-Kaufmann
Michael Willmar
Steuerberater
Ostendstr. 196
90482 Nürnberg
Telefon 0911 2388590
~
RAe Dr. Magold, Walter &
Hermann × Oedenberger
Str. 149 × 90491
Nürnberg
Nürnberg,
26.02.17
UZ:
670/14-1MM / mm
(bitte stets angeben)
Aktenzeichen:
Ks 107 Js 11256/95
In der
Strafsache gegen Matthias Frey
- Unterfertigter -
wegen Wiederaufnahmeverfahren
zeige ich unter ausdrücklicher
Versicherung ordnungsgemäßer anwaltlicher Bevollmäch-tigung sowie unter
Vollmachtvorlage an, dass ich die Verteidigung des Antragstellers Matthias Frey
wahrnehme und mit nachfolgender Antragstellung beauftragt bin.
Die
nachfolgenden Anträge werden dabei zulässig, in Gemäßheit des § 367 Abs. 1 S. 2
StPO, bei dem Landgericht Bamberg als dem vormals befassten Gericht
einge-reicht, verbunden mit dem Ersuchen, diese dem für das
Wiederaufnahmeverfahren nach § 140a GVG zuständigen Gericht zur Entscheidung
zuzuleiten:
Landgericht Bamberg
Wilhelmsplatz 1
96047 Bamberg
- Einwurf durch
Rechtsanwalt -
D1/56-17
1/56-17 56-17 6-17 17 7
Seite 2 von 134/ 3
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Namens und im
Auftrage des Antragstellers wird hiermit eine unverzügliche Unter-brechung der
weiteren Vollstreckung der Haftstrafe gemäß § 360 Abs. 2 StPO anzu-ordnen
beantragt sowie die Wiederaufnahme des durch rechtskräftigen Urteils des
Landgerichtes
Bamberg – Schwurgericht - vom 26. Juni 1996, Az. Ks 107 Js 11256/95 abgeschlossenen Strafverfahrens.
B E G R Ü N D U
N G :
A)
Vorbemerkungen
Das Wiederaufnahmegesuch stützt sich
auf den Wiederaufnahmegrund des 359 Nr. 5 StPO. Im Laufe des Verfahrens gegen
den Antragsteller fanden zahlreiche aktenkundige Tatsachen im Rahmen der
Sachverhaltsaufklärung keinerlei Berücksichtigung, die zu einer vollständig
anderen Bewertung des Falles hätten führen müssen. Darüber hinaus wurden dem
Gericht auch Tatsachen vorenthalten, die für die Urteilsfindung von
entscheidender Bedeutung gewesen wären. Bei umfassender Würdigung all jener
Tatsachen, die im Folgenden dargestellt werden, hätte eine Verurteilung des
Antragstellers nie erfolgen
dürfen. Nicht zuletzt haben die
Ermittlungsbehörden manifeste Hinweise auf andere Tatabläufe und Tatverdächtige
außer Acht gelassen und ihre Ermittlungen fast von Beginn an gänzlich auf den
Antragsteller beschränkt.
Seite 3 von 134/ 4
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Im Übrigen wurde durch aktenkundige
Suggestionen und Drohungen im Rahmen
der polizeilichen Vernehmungen, und
auf das Drängen des Leitenden
OStA und später auch des damaligen
Verteidigers des Antragstellers hin, ein
offenkundig falsches Geständnis
herbeigeführt, das letzten Endes die Verurteilung
des Antragstellers bewirkte.
Eine Verurteilung wäre ohne das
anfängliche Falschgeständnis des Antragstellers
während seiner
Beschuldigtenvernehmung - für das es vielfältige Ursachen
gab - schlechterdings unmöglich
gewesen. So gab es keinerlei Beweise,
die auf seine Täterschaft hätten
schließen lassen.
Erschwerend kommt hinzu: auch das
infolge unzulässiger Vernehmungsmethoden
der Ermittlungsbehörden zustande
gekommene Geständnis des Antragstellers
war erkennbar mit den
Ermittlungsergebnissen nicht in Einklang zu
bringen. Bei verständiger Würdigung
eben jener Ermittlungsergebnisse und
einer objektiven Überprüfung des
Geständnisses auf dessen Plausibilität und
Glaubwürdigkeit hätte eine
Verurteilung nicht erfolgen können, ja nicht erfolgen
dürfen.
Wie in den folgenden Ausführungen
dargestellt werden wird, wurde der Antragsteller
nicht nur aus den mutmaßlichen
Täterkreisen explizit bedroht, sondern
sah sich im Rahmen der polizeilichen
Vernehmungsmethoden mit Drohungen
und Suggestionen konfrontiert, die
ihm vermittelten, für die ermittelnden
und vernehmungsführenden Beamten der
Kriminalpolizei bereits als Täter
festzustehen. Der Antragsteller
legte vor diesem Hintergrund im Rahmen der
Seite 4 von 134/ 5
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
polizeilichen Vernehmungen ein
Falschgeständnis ab. Später gab ihm auch
sein damaliger Verteidiger zu verstehen,
nur im Wege der Aufrechterhaltung
dieses Falschgeständnisses einer
hohen Gefängnisstrafe entgehen zu können. Nach-dem der Antragsteller sodann im
Rahmen der Hauptverhandlung lediglich ein Formalgeständnis ablegte und ohne
weitere Einlassungen auf die Protokolle der polizeilichen Vernehmungen verwies,
stützte die Kammer ihre Überzeugung von der Täterschaft des Antragstellers
letztlich auf das erkennbar falsche anfängliche „Geständ-nis“, ohne dabei die
zahlreichen Unstimmigkeiten in den Ermittlungsergebnissen zu berücksichtigen.
Das Urteil beruhte demnach maßgeblich auf den Protokollen der
Beschuldigtenvernehmung des Antrag-stellers, die – wie im Folgenden zu zeigen
sein wird – nicht nur unvollständig und in sich unschlüssig waren, sondern die
in der Zusammenschau mit den übrigen Ermittlungsergeb-nissen die
offensichtliche Unrichtigkeit des anfänglichen „Geständnisses“ des
Antrag-stellers offenbarten.
Erst in jüngerer Vergangenheit hat
der Fall des Landwirts Rudolf Rupp gezeigt, wie auf-grund von Vernehmungsmethoden
falsche Geständnisse zur Verurteilung Unschuldiger führen können. Der Fall Rupp
wurde zum Lehrbeispiel für die Bedeutung von Befragungs- und
Vernehmungsmethoden und ihre mitunter dramatischen Folgen. Im Mai 2005 waren
die Witwe des Bauern R. Rupp, ihre zwei Töchter und ein Freund der älteren
Tochter vor dem Landgericht Ingolstadt zu Freiheitsstrafen bis zu achteinhalb
Jahren verurteilt worden,
nachdem das Gericht aufgrund der
Aussagen der Vernehmungsbeamten zu der Überzeu-gung gelangt war, Rupp sei in
der Nacht vom 12. auf den 13. Oktober 2001 von seiner Familie getötet,
anschließend zerstückelt und den Hof-
Seite 5 von 134/ 6
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
hunden zum Fraß vorgeworfen worden.
Im März 2009 wurde schließlich die
Leiche des R. Rupp in dessen Auto
aus der Donau geborgen. Spätestens zu
diesem Zeitpunkt war klar, dass es
sich bei den anfänglichen Geständnissen
der Familie, die im Rahmen der
polizeilichen Vernehmungen detailreich und
scheinbar überzeugend abgelegt
worden waren, eindeutig um Falschgeständnisse
handeln musste. Dennoch sperrte sich
die Justiz lange Zeit gegen ein
Wiederaufnahmeverfahren in der Sache
Rupp, weshalb es erst 2011, nachdem
mittlerweile alle Verurteilten nach
Verbüßung von über zwei Dritteln ihrer
Freiheitsstrafen aus der Haft
entlassen worden waren, zu einem erneuten Verfahren
kam, das mit dem Freispruch für die
vermeintlichen Täter endete.
Dieser Fall führt vor Augen, wie
enorm beeinflussbar das Aussageverhalten
von Tatverdächtigen infolge
bestimmter Vernehmungsmethoden ist und wie
zentral und unerlässlich daher eine umfassende
Sachverhaltsaufklärung für
ein gerechtes Urteil ist.
Es folgt nun
eine Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufs sowie
die Darlegung
der einzelnen Wiederaufnahmegründe. Insbesondere wird
mit Blick auf
das falsche Geständnis dargelegt, welche aktenkundigen
Tatsachen, die
vom Gericht gänzlich außer Acht gelassen wurden, die
Schlüssigkeit
und Glaubwürdigkeit des Geständniswiderrufs des Antragsstellers
untermauern:
Seite 6 von 134/ 7
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
B)
Prozessgeschichte
Der Antragsteller wurde durch Urteil
des Landgerichts – Schwurgericht – Bamberg, Az. Ks 107 Js 11256/95, vom
26.06.1996 wegen Mordes an Lucia Vacca (nachfolgend: L. Vacca) und Totschlags
zum Nachteil von Frank Appel (nachfolgend: F. Appel) zu einer lebens-langen
Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Die besondere Schwere der Schuld
wurde festgestellt. Die Verurteilung erfolgte nach nur drei Sitzungstagen.
(Niederschrift Bl. 910 ff. d. A.) Die Revision des Verurteilten wurde vom BGH
mit Beschluss vom 12.11.1996, Az.: 1 StR 647/96, als unbegründet verworfen. Die
von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision wurde zurückgenommen. Das Urteil
ist seit dem 26.11.1996 rechts-kräftig.
Bereits im Ermittlungsverfahren gab
es zahlreiche Unstimmigkeiten, die im Folgenden dargestellt und im jeweiligen
Kontext erläutert werden. Unter anderem war der Antrag-steller noch bevor es
laut Aktenlage einen erkennbaren Anfangsverdacht hätte geben können, von der
Polizei vorläufig festgenommen worden und vor seiner Beschuldigten-vernehmung
nicht über seine Rechte belehrt worden.
Im Rahmen der in vielfacher Hinsicht
unzulässig durchgeführten polizeilichen Verneh-mungen kam es schließlich zu
einem Falschgeständnis des Antragstellers, welches er später widerrief. Die
Gründe hierfür werden an anderer Stelle
Seite 7 von 134/ 8
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
noch dargetan. Die Rücknahme des
Geständnisses durch den Antragsteller erfolgte u.a. in einem Brief an VorsRiLG
Dengler (zugeleitet am 05.11.96). Beweis: Schreiben des M.
Frey aus der JVA Bayreuth an VorsRiLG Dengler Den Ausführungen des
Antragstellers wurde keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt. Sie fanden
insbesondere auch im Revisions-verfahren keine Berücksichtigung. VorsRiLG
Dengler forderte stattdessen den Vater des Antragstellers auf, seinem Sohn
mitzuteilen, er solle das „Geschreibsel“ lassen.
Beweis: Rudolf Frey, Keilerstr. 8, 91207 Lauf a. d. Pegnitz als Zeuge.
In der Folge beauftragten die Eltern
des Antragstellers im August 1998 ein Sicherheits-büro, dessen Arbeiten
aufgrund fehlenden Budgets im Juli 2001 eingestellt wurden. Die Feststellungen
des Sicherheitsbüros beschränkten sich im Wesentlichen darauf, die
Sonderkommission „Frank“ habe bei ihren Ermittlungen sowohl bei der Tatortbefundauf-nahme,
als auch bei ihren Vernehmungen oberflächlich und mangelhaft gearbeitet. Das
Sicherheitsbüro stellte darüber hinaus fest, es seien zahlreiche Widersprüche
in Zeugen-aussagen ungeklärt geblieben und insbesondere sei Hinweisen auf die Beteiligung
von Mitgliedern der Motorradgruppen Bat´s und Arrows nicht nachgegangen worden.
F. Appel habe sowohl Kontakte zu Mitgliedern beider Gruppen, als auch im
Drogenmilieu gepflegt, weshalb es umso mehr erstaune, dass entsprechende
Untersuchungen in diesen Kreisen niemals stattgefunden haben, wenngleich die
Befragung des einschlägigen Bekannten-kreises der
Seite 8 von 134/ 9
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
beiden Opfer mit hoher
Wahrscheinlichkeit wesentliche Erkenntnisse zum Gang der Er-eignisse geliefert
hätte.
Im November 2001 erstatteten die
Eltern des Antragstellers aufgrund des Verhaltens
verschiedener Verfahrensbeteiligter
mehrere Strafanzeigen, die allerdings ohne Folge blieben.
C)
Wiederaufnahmegründe
I. Neue
Tatsachen im Kontext der Hauptverhandlung, § 359 Nr. 5 StPO
1.
Wiederaufnahmegrund
Hiermit wird
der Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 5 StPO geltend gemacht.
Die Sachverhaltsdarstellung durch
die Kammer, die sich aus der schriftlichen Begründung des Urteils vom
26.06.1996 ergibt, ist mit den objektiven Ermittlungsergebnissen, die dem
Gericht im Zeitpunkt der Hauptverhandlung vorlagen, erkennbar nicht in Einklang
zu brin-gen.
In einem Wiederaufnahmeverfahren
sind all jene Tatsachen als neue Tatsachen zu bewer-ten, die der
Überzeugungsbildung des Gerichts nicht zugrunde gelegt worden sind, auch wenn
die Möglichkeit der Berücksichtigung jener
Seite 9 von 134/ 10
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Tatsachen – etwa aufgrund
Aktenkundigkeit - grundsätzlich bestanden hätte. (BVerfG NJW 2007, 207, 208
mwN). Dabei kommt es gerade nicht darauf an, aus welchem Grund das erkennende
Gericht keinen Gebrauch von den Tatsachen und Beweismitteln gemacht hat.
Insbesondere fehlt einer Tatsache icht deshalb die Neuheit, weil ihr Gegenteil
im Urteil festgestellt ist (OLG Frankfurt NJW 1978, 841; aA OLG Karlsruhe NJW
1958, 1247; Ei- senberg JR 2007, 360, 362; Meyer LR23 Rn 43). Gibt der
Antragsteller nämlich Einzel-heiten für das behauptete gegenteilige Geschehen
an, so trägt er ersichtlich neue Tat-sachen vor, die bei der Urteilsfindung
nicht hatten berücksichtigt werden
können.
Aus den Akten der Ermittlungsbehörden
ergeben sich sowohl im Zusammenhang mit dem Fall F. Appel, wie auch im
Zusammenhang mit dem Fall L. Vacca zahlreiche Beweise da-für, dass die
gerichtlichen Annahmen zum Tatablauf mit den
Ermittlungsergebnissen nicht in Einklang zu bringen sind.
Auf der Grundlage eben jener
Ermittlungsergebnisse, die das Gericht im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung
unberücksichtigt ließ, wird deutlich, dass sich die Taten - insbe-sondere mit
Blick auf die Leichenfundorte, die Verletzungsbilder und die Todesursachen -
nicht so abgespielt haben können, wievom Gericht angenommen wurde. Die
Berücksich-tigung dieser neuen Tatsachen, die im Folgenden umfangreich
dargestellt werden, hätte das anfängliche Falschgeständnis als solches
entlarvt. Da die folgenden Tatsachen nicht zur gerichtlichen
Überzeugungsbildung beigetragen haben, sind sie als neue Tatsachen
im wiederaufnahmerechtlichen Sinne
anzusehen.
Seite 10 von 134/ 11
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
2. Sachverhalt
laut Urteil vom 26.06.1996
Dem Urteil des Landgerichts vom
26.06.1996 liegen die folgenden Feststellungen
zugrunde.
a)
Vorgeschichte nach Überzeugung der Kammer (vgl. UA, S. 11 – 13)
Aus Gründen der Anschaulichkeit wird
hier zunächst auf die von der Kammer dargestellte Vorgeschichte verwiesen.
Hierzu findet sich im Urteil die folgende Darstellung (Bl. 983 ff. d. A.):
Nach seiner
Rückkehr aus Slowenien lebte der Angeklagte 1995 infolge seiner
Arbeits-losigkeit weitgehend zurückgezogen im Elternhaus, machte allenfalls
gelegentliche Streifzüge durch die Natur, bis er ab 2. Mai 1995 den vom
Arbeitsamt Bamberg vermittel-ten Schulungskurs zum Computerservicetechniker,
der im sog. "Ertl-Zentrum" in der Emil-Kemmer-Straße 19 in Hallstadt
abgehalten wurde, besuchte. Dort lernte er die ihm bis dahin völlig unbekannte
Lucia Vacca, geb. am 7.Januar 1973, kennen. Zwischen beiden
entwickelte
sich, da sie im Schulungskurs nebeneinander saßen und in der aus 25 Pers-onen
bestehenden Gruppe ansonsten keine weiteren Bezugspersonen hatten, ein engerer
Kontakt. Der Angeklagte holte Lucia Vacca mit dem Pkw seines Vaters des Öfteren
von ihrer Wohnung in Hallstadt ab und brachte sie nach Kursende wieder zurück.
Während dieser Fahrten oder beim gemeinsamen Kaffeetrinken erzählte ihm Lucia
Vacca im Laufe der Zeit ihre Lebensumstände, berichtete ihm auch von ihren
Drogenproblemen und von
Seite
11 von 134/ 12
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
ihren
Zukunftsplänen. Dadurch erfuhr der Angeklagte, daß Lucia Vacca seit ca. 2 1/2
Jah-ren mit dem am 18. August 1969 geborenen Frank Appel befreundet und
inzwischen auch verlobt war und mit ihm in der Lichtenfelser Straße 67 in
Hallstadt in einer gemeinsamen Wohnung zusammenlebte. Sie erzählte ihm auch,
daß es in dieser Beziehung in der Ver-gangenheit immer wieder zu erheblichen
Spannungen gekommen sei, da sie von Frank Appel häufiger geschlagenworden sei.
Anfang August
1995 löste Lucia Vacca die Verbindung zu Frank Appel und zog aus der
gemeinsamen Wohnung wieder zurück zu ihren Eltern nach Bamberg-Gaustadt,
Anna-Lindner-Platz 7. Von dort holte sie der Angeklagte dann nahezu täglich zu
den Schu-lungskursen ab. Am 18. August 1995 zeigte Lucia Vacca bei der
Polizeiinspektion Bam-berg einen Vorfall vom 15./16. August 1995 an
(staatsanwalt-schaftliches Aktenzeichen 104 Js 12192/95).
Nach ihren
Angaben habe sie Frank Appel, nachdem sie sich am Abend des 15. August 1995 zu
ihm begeben habe, um sich mit ihm auszusprechen, am Verlassen der Wohnung
gehindert, habe sie in übler Weise bedroht und mit den Fäusten geschlagen. Dann
sei Frank Appel völlig ausgerastet und habe sie an einen Heizkörper gefesselt.
Nachdem sie sich habe nackt ausziehen müssen, habe er ihr zwei brennende
Zigaretten auf dem rech-ten Unterschenkel und auf der rechten Wange ausgedrückt
und sie immer wieder ins Ge-sicht geschlagen, insbesondere auch, um sie zu
zwingen, verschiedene Schmuckgegen-stände (Ring, Kettchen) zu verschlucken.
Schließlich habe er ihr stark und schmerzhaft ans Geschlechtsteil gegriffen.
Erst am 16. August gegen 11.00 Uhr sei es ihr gelungen, sich zu befreien und
die Wohnung zu verlassen.
Seite 12 von 134/ 13
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Seit diesem
Vorfall werde sie von Frank Appel ständig verfolgt. dem Angeklagten hatte Lucia
Vacca von diesen Vorfällen noch vor ihrer Anzeigenerstattung bei der Polizei
be-richtet.
b) Hergang der
Tötung des F. Appel nach Überzeugung der Kammer
(vgl. UA, S. 13
– 19)
Die Tötung des F. Appel erfolgte nach
der Auffassung der Kammer, nachdem L. Vacca dem Antragsteller von ihrer
Misshandlung durch F. Appel berichtet hatte. Sie habe den Antragsteller
gebeten, dem F. Appel „eine Abreibung“ zu verpassen und in diesem Zu-sammenhang
darauf hingewiesen, sie wolle sich mit diesem Anliegen weder an ihren Vater
noch an ihren Bruder wenden, da sie befürchte, diese würden den F. Appel
um-bringen. (Bl. 985 d. A.)
L. Vacca habe sich sodann zum Schein
mit F. Appel für den Abend des 20.08.1995 gegen 22:30 Uhr zu einem Treffen auf
dem Parkplatz vor dem Schwimmbad Gaustadt verab-redet, wo jedoch nur der
Antragsteller habe erscheinen sollen. Der Antragsteller habe den ihm bis dahin
völlig unbekannten F. Appel an dem vereinbarten Treffpunkt schließlich ge-gen
22:15 Uhr mit dem PKW abgeholt und vorgegeben, ihn im Auftrag von L. Vacca zu
ihr auf die Kirchweih nach Zeegendorf zu bringen. In Wahrheit sei der
Antragsteller mit F. Ap-pel in ein Waldstück an den Ortsrand von Teuchatz
gefahren und habe ihn dort mit mehre-ren Beilhieben auf Oberkörper und Kopf
getötet.
Seite 13 von 134/ 14
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
In den Urteilsausführungen heißt es
hierzu auf den Seiten 15 - 17:
Über Litzendorf
und Geisfeld fuhr der Angeklagte in das ca. 15 km von Gaustadt entfernte
Zeegendorf, das er jedoch ohne anzuhalten passierte und in Richtung Teuchatz
weiterfuhr. Nach ca. 3 km bog er am Ortsrand von Teuchatz nach links in einen
geteerten Feld-weg ab und parkte seinen Pkw nach weiteren ca. 500 Metern bei
einem kleinen Waldstück rückwärts in einen Feldweg ein.
Der
Aufforderung des Angeklagten, mit ihm zu Fuß weiterzugehen, da man den Weg mit
dem Auto nicht weiter befahren dürfe, kam Frank Appel ohne nachzufragen nach,
wie er auch während der Fahrt keine Fragen gestellt hatte, die Unterhaltung
zwischen beiden sich vielmehr um belanglose Dinge gedreht hatte. Der Angeklagte
nahm aus dem Pkw das Handbeil und die Kabelbinder mit, wobei er das Beil so
trug, daß Frank Appel, der selbst – vom Angeklagten unbemerkt - eine
Schreckschußpistole und eine Fahrradtaschenlampe
mit sich
führte, es nicht sehen konnte. Über eine Wegstrecke von ca. 750 Metern liefen
beide am Teuchatzer Sportplatz vorbei bis zu einer Weggabelung am Waldrand, der
An-geklagte vorneweg, Frank Appel leicht seitlich versetzt dahinter. Als Frank
Appel, der mit einem Angriff des Angeklagten nicht rechnete, am Waldrand nach
seiner Taschenlampe suchte, kam er erstmals während des gesamten Weges vor dem
Angeklagten zu stehen. Diese Situation nutzte der Angeklagte aus und schlug
Frank Appel mit der stumpfen Seite des Beils auf den Hinterkopf. Zumindest
nicht ausschließbar wollte der Angeklagte ent-sprechend seiner ursprünglichen
Absicht Frank Appel bei diesem ersten Schlag nicht töten,sondern nur kampfunfähig
machen, um ihn anschließend mit den Kabelbindern zu fesseln.
Seite
14 von 134/ 15
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Frank Appel
gelang es zunächst wegzulaufen, er wurde jedoch nach ca. 20 Metern vom
Angeklagten eingeholt.Seine Äußerung „ich sag
Dirs noch einmal im guten“ beantwortete der Angeklagte, der erkannt hatte, dass Frank Appel nach dem ersten
Schlag nicht kampf-unfähig war, nun mit einer reihe wuchtig geführter, auf den
Oberkörper und den Kopf ge-richteter Beilschläge, wobei er Frank Appel mit der
stumpfen Seite des Beils mindestens dreimal am Kopf, mit der Schneide des Beils
mindestens zweimal im Gesichtsbereich
und einmal im
Brustbereich traf. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte dem Frank
Appel diese Serie massiver, unmittelbar aufeinanderfolgender Schläge versetzte,
wollte er damit dessen Tod herbeiführen. Die Schläge führte er mit dem in der
rechten Hand gehaltenen Beil aus, während er seinen Kontrahenten mit der linken
Hand an der Jacke festhielt. Dabei gelang es Frank Appel zwar, dem Angeklagten
mit einem eckigen Gegenstand, möglichweise der Taschenlampe oder dem
Schreckschussrevolver, in den Bauch zu schlagen, eine wirksame Gegenwehr konnte
er, nur 175 cm groß und ca. 62 kg schwer, dadurch gegenüber dem ihm körperlich
weit überlegenen Angeklagten jedoch nicht entfalten, was der Angeklagte
erkannte. Nachdem Frank Appel infolge der heftigen Beilschläge zu Boden
gegangen war und keinerlei Gegenwehr mehr zeigte, holte der
Angeklagte
dessen auf den Weg liegende und noch brennende Taschenlampe und stellte,
Seite
15 von 134/ 16
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
als er Frank
Appel anleuchtete, fest, dass dieser, nachdem er noch einmal kurz geröchelt
hatte, tot war. Infolge der mit der stumpfen Seite des Beiles geführten Schläge
entstanden
am Schädel des
Getöteten drei ausgedehnte Zertrümmerungen der Schädeldecke im Be-reich der
linken Schläfenregion übergreifend auf Scheitelbein und Stirnbein (7 x 6,8 cm),
im Übergangsbereich des rechten Schläfenbeins zum Scheitelbein und Stirnbein (5
x 5 cm), sowie in der linken Hinterkopfregion übergreifend auf das linke
Schläfenbein (5 x 2,8 cm). Durch mindestens zwei mit der Beilschneide geführte
Schläge entstand zum einen am rechten knöchernen Augenbrauenwulst sowie am
Oberkiefer eine tiefe schartenartige Knochenverletzung, zum anderen wurde ein
Teil des rechten Unterkiefers vollständig ab-gesprengt. Ferner wurden das
Brustbein und das linke Schlüsselbein durch einen von in-nen nach außen
geführten scharfkantigen Schlag verletzt. Der Tod des Frank Appel trat aufgrund
des infolge der schweren Schädelverletzungen auftretenden Blutverlustes ein.
(…)“
Um ein schnelles Entdecken der
Leiche zu verhindern, habe der Antragsteller selbige sodann ins dichte
Unterholz gezogen, wo sie schließlich am 26.08.1995 gegen 12.00 Uhr aufgefunden
worden sei.
Seite 16 von 134/ 17
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
c) Hergang der
Tötung der L. Vacca nach Überzeugung der Kammer
(Bl. 991 – 994 d. A.)
Noch am 21.
August 1995 erzählte der Angeklagte der Lucia Vacca, er habe den Frank Appel
niedergeschlagen, ein Freund von ihm habe ihn in Hof in einer Hütte eingesperrt
und werde ihn freilassen, wenn er von der Polizei gesucht werde. Lucia Vacca,
die nach der Tat täglich Kontakt zum Angeklagten hatte, glaubte ihm diese
Geschichte. Nachdem der Angeklagte bereits am Donnerstag, 23. August 1995 mit
dem Gedanken gespielt hatte, auch Lucia Vacca umzubringen, diesen Gedanken
jedoch vorübergehend verworfen hatte, vereinbarte er mit ihr bei einem weiteren
Treffen in Gaustadt am 24. August 1995 gegen Mittag, daß er sie am 25. August
1995 früh um 1.00 Uhr am Busparkplatz am alten Krankenhaus abholen werde. Ihm
war bekannt, daß sie anläßlich der "Sandkerwa" in Bamberg in der
Gaststätte "Mondschein" bis um diese Zeit als Bedienung arbeitete. Er
hatte ihr erzählt, er werde Frank Appel werde an diesem Tag freilassen.
Dem Angeklagten
war in der Zwischenzeit klargeworden, daß er Lucia Väcca den Tod von Frank
Appel nicht länger verschweigen konnte und er für diesen Fall damit rechnen
muß-te, daß Lucia Vacca ihn anzeigen würde. Darüberhinaus befürchtete erdie
Polizei werde zwangsläufig nach Entdecken der Leiche von Frank Appel über Lucia
Vacca auf ihn als Täter kommen. Um dies zu verhindern, faßte er, spätestens als
Lucia Vacca tatsächlich
Seite
17 von 134/ 18
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
gegen 1.00 Uhr
am vereinbarten Treffpunkt erschien und, da sie deutlich angetrunken war, ohne
zu fragen, in seinen Pkw eingestiegen war, den endgültigen Entschluß, sie zu
töten, wobei er sich den Tathergang bereits zu diesem Zeitpunkt im wesentlichen
so vorstellte, wie er später zur Ausführung kommen sollte. Entsprechend seinem
von ihm zurechtge-legten Plan fuhr er mit Lucia Vacca auf der Autobahn in die
ca. 15 km von Bamberg ent-fernt liegende Ortschaft Buttenheim, von dort aus in
Richtung Unterstürmig, um nach ca. 1 km nach rechts in die befestigte
Zufahrtsstraße zur Kiesgrube Roth abzubiegen. Die dorti-gen Örtlichkeiten, an
denen er nicht damit rechnen mußte, von anderen gestört zu wer-den, waren dem
Angeklagten aus der Zeit seiner Beschäftigung bei der Firma INA im
nahegelegenenen Hirschaid bekannt. Ca. 100 Meter nach der Abzweigung von der
Kreisstraße
Buttenheim/Un-terstürmig hielt er auf dem gepflasterten Vorplatz einer
Feld-scheune an, stieg mit Lucia Vacca aus und sagte zu ihr, sie solle einen
Moment warten. Während Lucia Vacca zu der wenige 100 Meter entfernt
vorbeiführenden Autobahn schaute und den Verkehr beobachtete, wobei sie dem
Angeklagten den Rücken zukehrte, nutzte dies der Angeklagte aus, um von einem
neben der Scheune befindlichen Stein-haufen einen unregelmäßig geformten
flachen Feldstein mit einem Gewicht von ca. 5,9 kg zu nehmen, sich von hinten
unbemerkt Lucia Vacca zu nähern und ihr diesen Stein mit beiden Händen und mit
großer Wucht auf den Hinterkopf zu schlagen. Dem Angeklagten war dabei bewußt,
daß Lucia Vacca mit einem Angriff von ihm, dem sie vertraute, nicht rechnete
und nutzte dies aus, um seine bereits vorgefaßte Tötungsabsicht in die Tat
um-zusetzen. Lucia Vacca hatte keine Möglichkeit, den tödlichen Schlag
abzuwehren. Auf-grund diesesSchlages fiel sie "wie ein nasser Sack"
nach vorne um und war mit hoher
Seite 18 von 134/ 19
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Wahrscheinlichkeit
sofort tot. Anschließend hob der Angeklagte die ca. 50 kg schwere Lucia Vacca,
die keinerlei Lebenszeichen mehr von sich gab, auf, trug sie ca. 50 Meter an
einem Ackerrain entlang zu einer sich neben der Feldscheune erstreckenden Hecke
und legte sie vor dieser auf dem Acker ab. Danach ging er zur Scheune zurück,
holte den dort abgelegten Feldstein und schlug ihn der auf dem Ackerboden
liegenden Lucia Vacca mehrfach auf den Kopf, um sicher zu sein, daß sie auch
tatsächlich tot war. Als er diese
Sicherheit
hatte, zog er die Leiche in die Hecke, um ein alsbaldiges Entdecken zu
verhin-dern. Den Stein, mit dem er Lucia Vacca erschlagen hatte,warf der
Angeklagte wenige Meter neben der Leiche ins Gebüsch. Nachdem er eine auf dem
Scheunenvorplatz liegende, Lucia Vacca gehörende schwarze Kapuzenjacke mittels
eines Birkenstockes in den gegenüberliegenden Straßengraben geworfen hatte,
fuhr er mit seinem Pkw gegen 2.45 Uhr nach Bischberg zurück. Dabei nahm er die
von Lucia Vacca getragene Bauch-gürteltasche, die er ihr zuvor abgeschnallt
hatte, mit. Um seine eigene Tatbeteiligung zu vertuschen, fuhr er noch am
25.August 1995 gegen 13.00 Uhr zum Haus der Familie Vacca und fragte dort die
Mutter von Lucia Vacca, wo Lucia sei.“ Die Leiche von Lucia Vacca wurde am
30. August 1995 gegen 3.00 Uhr von Polizeibeamten, die der Antrag-steller zum
Tatort geführt hatte, aufgefunden.
Seite 19 von 134/ 20
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
„Der Hinterschädel der Toten wies
rechtseitig ein etwa handgroßes nach vorne spitz zu-laufendes Loch auf, war im
übrigen im hinteren Bereich scherbenartig gebrochen und zerstört. Der Tod von
Lucia Vacca war infolge Verblutens aufgrund der schweren Schä-delverletzungen
eingetreten.“ (UA, S.20-22)
3. Maßgebliche
Beweiswürdigung im Urteil
Die Kammer stützte ihr Urteil auf
die Einlassungen des Antragstellers im
Rahmen der polizeilichen und
ermittlungsrichterlichen Vernehmungen, sowie
auf die Ergebnisse der
Beweisaufnahme. Das Gericht sei von der Schuld des
Matthias Frey „aufgrund der
eigenen Einlassung des Angeklagten, (…), im übrigen
aufgrund des
Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme“ überzeugt.“
(U. S. 23, 24)
a) Unverwertbares
Formalgeständnis
Bei der Beurteilung jenes
Geständnisses ließ das Gericht jedoch gänzlich außer
Acht, dass der Antragsteller im
Verfahren lediglich ein reines Formalgeständnis
abgelegt hatte.
Die Gründung des Urteils auf ein
solches Formalgeständnis genügt den Anforderungen
an eine umfassende Sachaufklärung
durch das Gericht nicht, da es nicht auf Unstimmig-keiten mit etwaigen
Ermittlungsergebnissen überprüft werden kann. Vor diesem Hinter-grund kann ein
reines Formalgeständnis nicht als hinreichende Grundlage für eine Verur-
Seite 20 von 134/ 21
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
teilungherangezogen werden. Der
Bundestag bestätigte diese Bewertung reiner Formal-geständnisse im Jahr 2009
mit der Begründung, wesentliches Ziel des Strafverfahrens sei die bestmögliche
Sachaufklärung. Ein Geständnis müsse daher so konkret sein, dass
eine Überprüfung möglich sei und
eine Übereinstimmung mit der Aktenlage sichergestellt
werden könne. (Dt. Bundestag,
Drucksache 16/12310 – FD-StrafR 2009, 278160). Diesen Voraussetzungen genügt
die Aussage des Antragstellers in der damaligen Hauptverhand-lung erkennbar
nicht. ( Bl. 1208, U. S. 26; i.d. Urteilsbegründung S. 29)
Der Antragsteller stellte in seinem
späteren Geständniswiderruf klar, er sei im Verfahren von seinem damaligen
Verteidiger dazu gedrängt worden, die Taten in der Hauptver-handlung zu
gestehen, da nur so eine mögliche Straferleichterung zu erwarten sei. Die
Einlassung des Antragstellers in der Hauptverhandlung lautete wie folgt: „Wenn es so in der Anklageschrift steht, wird es schon stimmen.“ (U. S. 26) Darüber hinaus äußerte er, sich keines Motivs für die
Taten bewusst zu sein. (U. S. 24 f.)
b) Offenkundige
Mängel der Beweisaufnahme
Auch bei der Würdigung des
vorangegangenen Geständnisses des Antragstellers
aus den polizeilichen Vernehmungen
hat das Gericht zahlreiche Unstimmigkeiten
mit den übrigen
Ermittlungsergebnissen außer Acht gelassen.
Seite 21 von 134/ 22
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme
führt die Kammer im Urteil das Folgende
aus:
„Die
Kammer ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme davon
überzeugt, dass
die beiden Taten weitgehend so geschehen sind, wie
sie vom
Angeklagten in der polizeilichen Vernehmung vom 1. September
1995
beschrieben und in der Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter
am 4. September
1995 überwiegend bestätigt worden
sind. Diese
Aussagen wiederum sind im Zusammenhang zu sehen mit
dem
polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Aussagen vom 29. und
30.
August 1995.“ (UA, S. 29)
(…)Eine
Zusammenschau des Geständnisses des Angeklagten vom
01.09.1995 und
all der objektiv gesicherten Feststellungen und Indizien
lässt keinen Raum
für Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten.
Dabei ist die
Kammer davon überzeugt, dass das vom Angeklagten
bei
der Vernehmung vom 01.09.1995 abgelegte (…) Geständnis
den
tatsächlichen Geschehensablauf wiedergibt. Dieses Geständnis
legte der
Angeklagte aus freien Stücken ab, ohne dass eine Vernehmung
geplant
gewesen wäre (…).“ (UA, S. 36)
Sofern die Kammer auf die
polizeilichen Vernehmungen verweist, drängen
sich diverse Fragen auf. Es ist
weder nachvollziehbar, wie dem Gericht die
Unzulässigkeit der polizeilichen
Vernehmungsmethoden und die zahlreichen
Auslassungen und Unstimmigkeiten in
den Vernehmungsprotokollen entgehen
konnten, noch hat sich das Gericht
mit den Unstimmigkeiten im anfänglichen
„Geständnis“ auseinandergesetzt.
Seite 22 von 134/ 23
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
aa)
Polizeiliche und ermittlungsrichterliche Vernehmungen
Wie im Folgenden zu zeigen sein
wird, hatte der Antragsteller im Rahmen der
polizeilichen Vernehmungen ein
Falschgeständnis abgelegt, zu dem er durch
die Anwendung verbotener
Vernehmungsmethoden gedrängt worden war.
Ein auf diese Weise gewonnenes
Geständnis ist aufgrund seines Mangels an
Glaubwürdigkeit jedoch unbrauchbar
und unterliegt bereits einem Beweisverwertungsverbot
im Sinne des § 136a StPO. Dies hätte
das Gericht erkennen
und berücksichtigen müssen.
Die Kammer zog zur Beurteilung der
Glaubwürdigkeit der anfänglichen Aussage
des Antragstellers im Wesentlichen
die Zeugenaussage des vernehmenden
Polizeibeamten KOK Groß heran. Zu
seiner Zeugenaussage stellte
das Gericht das Folgende fest:
„Der
Zeuge KOK Groß, Leiter der polizeiliche Kommission „Frank“, hat
bei seiner
Zeugeneinvernahme das Aussageverhalten des Angeklagten
am 29./30.
August 1995 beschrieben. Der Angeklagte sei zunächst
am 29. August
1995 im Rahmen der umfangreichen Ermittlungen nach
dem Auffinden
der Leiche von Frank Appel als Zeuge vernommen
worden, nach
verschiedenen Widersprüchen innerhalb seiner Aussage
und zu
anderweitigen Ermittlungsergebnissen habe man ihn als
Beschuldigten
belehrt und vernommen. Er habe zunächst jegliche
Tatbeteiligung
abgestritten, habe dann eingeräumt, an der Tat zum
Nachteil des
Frank Appel insoweit beteiligt gewesen zu sein, als er auf
Seite 23 von 134/ 24
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Wunsch der
Lucia Vacca ein Mitglied einer Rockergruppe zusammen
mit Frank Appel
nach Teuchatz gefahren habe. Er habe sich stets im
Auto
aufgehalten, was diese ihm namentlich nicht bekannte Person
mit Frank Appel
außerhalb des Fahrzeugs gemacht habe, wisse er
nicht.“ (…)
„Im
Laufe der weiteren Vernehmung habe der Angeklagte dann eingeräumt,
selbst den
Frank Appel erschlagen zu haben, allerdings mit einem
von diesem
mitgeführten Hammer oder Maurerbeil im Rahmen
eines Kampfes.
Schließlich habe er auch gestanden, Lucia Vacca umgebracht
zu haben, er
sei mit ihr zum späteren Tatort gefahren, habe
ihr vom Tod des
Frank Appel erzählt. Als sie zu toben angefangen habe,
habe er ihr
einen Schubser gegeben, sie sei rückwärts hingefallen
und mit dem
Kopf auf einen Stein geschlagen. Da sie sich nicht mehr
gerührt habe,
habe er sie zu einer Hecke getragen; dort habe sie jedoch
wieder zu
Schnaufen angefangen. Deshalb habe er ihr mit einem
schweren
Feldstein mehrfach auf den Kopf geschlagen, bis sie nach
seiner Meinung
tot gewesen sei. Dann habe er sie in der Hecke versteckt.“
(UA, S. 30, 31)
Darüber hinaus wies der Zeuge KOK
Groß darauf hin, man sei noch in der besagten
Nacht zu der Fundstelle gefahren, an
der der Angeklagte die Leiche
der L. Vacca laut eigenen Angaben
versteckt habe. Auffällig sei gewesen,
dass der Antragsteller trotz der
dunklen Nacht die Leiche auf Anhieb gefunden
habe. (U. S. 31) Eine weitere
Vernehmung sei am 01.09.1995 von dem ZeuSeite
24 von 134/ 25
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
gen KHM Galster durchgeführt worden,
nachdem der Antragsteller von sich
aus angegeben habe, seine bisherige
Aussage stimme noch nicht und er wolle
nun „die ganze Wahrheit sagen“ (UA,
S. 32)
(1)
Unzulässiges Verhalten der Ermittlungsbehörden im Vorfeld der
Vernehmung
Bei Durchsicht der aktenkundigen
Abläufe des Ermittlungsverfahrens, wird
deutlich, dass sämtliche
Untersuchungen nahezu von Anfang an auf den Antragsteller
beschränkt waren und die Polizei zum
Zwecke seiner Überführung als Täter zu drastischen Maßnahmen griff, die nicht
nur höchst fragwürdig, sondern im vorliegenden Fall auch unzulässig waren:
(α) Wohnungsdurchsuchung bei der
Familie Frey (Bl. 1185)
In der Ermittlungsakte finden sich
keine Unterlagen über die Haus-/ Wohnungsdurchsuchung, die am 29.08.1995 auf
dem Anwesen der Familie Frey
im Ahornweg 1 in Bischberg
stattfand. Lediglich im Schlussbericht der Kriminalpolizei
findet sich der Hinweis, das
„Wohnhaus Frey“ sei „angegangen“ worden.
Auch eine Anordnung zur
Wohnungsdurchsuchung durch die Staatsanwaltschaft
oder Hinweise auf die Anrufung eines
Richters lassen sich der Ermittlungsakte
nicht entnehmen, da entsprechende
Maßnahmen nicht ergriffen worden waren. Dies ist insofern nicht
nachvollziehbar, als die Durchsuchung
Seite 25 von 134/ 26
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
an einem Dienstag zur Mittagszeit
stattfand, weshalb eine richterliche Anordnung
problemlos zur allgemeinen
Dienstzeit hätte eingeholt werden können.
Der Ablauf der Durchsuchung wurde
von den Eheleuten Frey als ausgesprochen
einschüchternd und bedrohlich
beschrieben. Die Durchsuchung wurde
von 10 -12 Polizeibeamten in Zivil durchgeführt,
die sich trotz mehrfacher Aufforderung
der Mutter des Antragstellers
weigerten, sich auszuweisen oder
sich zum Anlass der Durchsuchung zu
äußern.
Die Beschwerde des Vaters des
Antragstellers wurde am folgenden Tage dahingehend
beschieden, die Polizei habe wegen
„Gefahr im Verzug“ auch ohne
richterliche Anordnung handeln
dürfen.
Es liegt vor diesem Hintergrund mehr
als nahe, anzunehmen, dass aus Sicht
der Polizei der Antragsteller
bereits zum damaligen Zeitpunkt tatverdächtig
war. Der Ermittlungsakte sind
allerdings keine Erkenntnisse zu entnehmen,
die einen solchen Verdacht zum
damaligen Zeitpunkt der Ermittlungen hätten
rechtfertigen können. Der spätere
Hauptbelastungszeuge Diegel meldete sich
nämlich bemerkenswerterweise erst
bei der Polizei, als sich der Antragsteller
bereits in Untersuchungshaft befand.
Es drängt sich deshalb die Vermutung
auf, dass die Polizei Informationen
zu möglichen Verdächtigen bereits vor der
offiziellen Befragung von Zeugen von
einem Informanden erhalten hat, der
nicht als Informationsquelle
offengelegt werden sollte. Die Soko „Frank“ bestand
überwiegend aus Beamten des
Drogendezernats, was den Schluss auf
eine Informationsquelle aus der
Drogenszene als zumindest naheliegend erscheinen
lässt. Dies insbesondere deshalb, da
beide Opfer aktenkundig im
Seite 26 von 134/ 27
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Drogenmilieu verkehrten. Bei der
Beantragung eines richterlichen Durchsuchungs-beschlusses, hätte die Polizei
für die Begründung des Tatverdachts freilich ihre Informationsquelle offenlegen
müssen, was vorliegend möglicherweise
unerwünscht gewesen sein könnte.
Am 30.08.1995 um 11:15 Uhr gab die
KPI Bamberg die Meldung heraus, der
Antragsteller sei als
Tatverdächtiger festgenommen worden. (Bl. 17 d. A.)
(β) Vermeintlicher Anfangsverdacht aufgrund der Aussage des Zeugen
D.
Im Rahmen der anfänglichen
Ermittlungen im Fall F. Appel wurde am
27.08.1995 um 14:50 Uhr der Zeuge
D., Nachbar des F. Appel, befragt.
(Bl. 72 ff. d. A.) Der Zeuge D. gab
an, in der Nacht 17./ 18.08.1995 (Donnerstag
auf Freitag) einen lautstarken
Streit in der Wohnung des F. Appel gehört
zu haben. Am nächsten Tag sei die
Freundin des F. Appel ausgezogen.
(Bl. 73 d. A.) Wiederum ein oder
zwei Tage später habe er F. Appel noch einmal
im Treppenhaus gesehen. Schließlich
habe er etwa zwei Tage nach dem
Streit gegen Mitternacht einen
fremden Mann dabei beobachtet, wie dieser die
Wohnung des F. Appel verlassen und
mit einem Schlüssel abgeschlossen habe.
Der Mann sei mit einem goldfarbenen
Audi 100 davongefahren.
Die Beschreibung des fremden
Besuchers durch den Zeugen D. (ca. 1,70
bis 1,75 cm groß, kräftiger
Oberkörper, dunkle kurze Haare, geschätztes Alter
Mitte 20, blaue Jeanshose) lässt
unter Berücksichtigung der sehr markanten
Seite 27 von 134/ 28
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Erscheinung des Matthias Frey keine
Rückschlüsse darauf zu, dass der Unbekannte
nächtliche Besucher der
Antragsteller gewesen sein muss. Inwieweit
ein möglicher Anfangsverdacht auf
die Aussage des Zeugen D. hätte
gestützt werden können, ist insoweit
nicht nachvollziehbar. Insbesondere erfolgte
weder eine Lichtbildvorlage, noch
eine Gegenüberstellung.
Auffällig ist darüber hinaus die
erhebliche Diskrepanz zwischen der Darstellung
des Zeugen D. und der erkennbar zutreffenden
Personenbeschreibung durch den
Zeugen C. (Bl. 149). Der Zeuge C.
war als ehemals enger Freund des Bruders der L. Vacca, M., und als Exfreund der
L. Vacca vernommen worden. Er war am 25.08.1995 gegen Mittag zu Besuch ei der
Familie Vacca und beobachtete, wie der Antragsteller vorbeikam und sich nach L.
Vacca erkundigte. Die Beschreibung des Zeugen C.ist im
Gegensatz zu der des Zeugen D. sehr
präzise und trifft auf das damalige Erschei-nungsbild des Antragstellers
unzweifelhaft zu (Bl. 149 d. A.: ca. 30
Jahre alt, ca. 1,85 cm groß,
schlanke Figur, kurze schwarze Haare mit natürlichen
grauen Auswüchsen und einem kleinen
Schnurrbart, der ebenfalls schwarz mit grauen Barthaaren war). Der Zeuge C.
beschrieb den PKW des Antragstellers als älteren silberfarbenen Audi 80.Aus der
Aussage des Zeugen D. ergeben sich Unstimmigkeiten mit Ermittlungsergebnissen,
denen jedoch nicht nachgegangen wurde. Die Beschreibung
von Erscheinungsbild und PKW des
nächtlichen Besuchers stimmen nicht mit
dem damaligen Erscheinungsbild des
Antragstellers und auch nicht mit dessen
PKW überein. Besonders alarmierend
ist in diesem Zusammenhang die Tatsa-
Seite 28 von 134/ 29
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
che, dass der Zeuge D. den
Antragsteller in der Hauptverhandlung überhaupt
nicht wiedererkannte.
Darüber hinaus gab der Zeuge D. an,
beobachtet zu haben, wie der unbekannte
Besucher die Wohnung des F. Appel
abgeschlossen habe. Bei der Erstbesichtigung
der Wohnung nach dem Leichenfund
wurde jedoch vermerkt, dass die Tür zur Wohnung nicht abgeschlossen
gewesen sei. (Bl. 56 d. A.)
Auch in zeitlicher Hinsicht ergeben
sich bei der Zeugenaussage Unstimmigkeiten.
Der Auszug von L. Vacca erfolgte
belegtermaßen am 16.08.95. (Strafanzeige
der L. Vacca)
Die vom Zeugen Degen geschilderte
Auseinandersetzung muss demnach in
der Nacht vom 15./16.08.95
stattgefunden haben. Die Nacht, in der der Zeuge
D. den fremden Besucher beobachtete,
müsste demnach folgerichtig die Nacht vom 18./19.08.95 gewesen sein.
Auf Betreiben des OStA Müller-Dahms
schrieb Dr. Honus im vorläufigen Obduktionsbericht
(Bl. 34 d. A.), F. Appel sei zuletzt
am 23.08.95 lebend gesehen worden. Herr Dr. Honus hatte zunächst den 20.08.95
vermerkt. Dieses Datum wurde anschließend handschriftlich in den 23.08.
geändert. Mit dieser Feststellung zum Todeszeitpunkt ist jedoch die Beobachtung
des Zeugen D. mit Blick auf einen möglichen Täter ersichtlich nicht in Einklang
zu bringen.
Seite 29 von 134/ 30
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
(2) Unzulässige
Vernehmungsmethoden
Aus den Protokollen der
polizeilichen Vernehmungen lassen sich zahlreiche
Belege für unzulässige
Vernehmungsmethoden entnehmen, die von der
Kammer gänzlich außer Acht gelassen
wurden. Unabhängig davon, dass besagte
Vernehmungsmethoden ursächlich für
das Falschgeständnis des Antragstellers
waren, unterliegen die aufgrund der
Vernehmungen getätigten
Äußerungen des Antragstellers einem
Verwertungsverbot nach § 136 a Abs. 2
StGB. Dies lässt sich anhand der
folgenden Beispiele verdeutlichen:
· Auf die anfängliche Weigerung des Antragstellers, die Tat zu
gestehen,
erklärt KOK Groß:
„…dann soll´n sie dich die ganze Nacht noch drücken. Du bist soweit,
daß des alles sagen könntest. Aber irgendwie
etwas blockiert dich
noch.“ (Bl. 401 d. A.)
· Nachweislich wahrheitswidrig behauptet KOK Groß:
„Sagen sie mir, wo sie sich getroffen haben?
Wir haben Zeugen, dass
sie gesehen wurden. Also tun sie nicht rum.“ (Bl. 359 d. A.)
· Es folgt eine unverhohlene Drohung durch KOK Groß:
„Wir können es auch so machen, dass wir
weiter machen. Wir sperren
Dich ein. Du bist unter Tatverdacht. Da
finden wir jederzeit einen Richter
der Dich einsperrt. Ist gar kein Problem.“ (Bl. 370 d. A.)
Seite 30 von 134/ 31
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
· Dann wird im Drängen nach dem Geständnis von KOK Groß
wahrheitswidrig
behauptet, der Staatsanwalt könne
die Strafe bestimmen und zudem suggeriert,
er sei durch die Beamten
beeinflussbar:
„Und
der Staatsanwalt, der wird stündlich unterrichtet (…) und der hat
die
Möglichkeit ein Strafmaß zu setzen und zu sagen so und so.“(Bl. 372 d. A.)
· Als der Antragsteller dann mehrere Personen als tatverstrickt
benennt
und konkret beschreibt, wird ihm
wahrheitswidrig gesagt, der Polizei
liege bereits eine andere
Tatschilderung vor. KOK Groß wörtlich: „Ja,
hört sich
abenteuerlich an, weil wir eine ganz andere Variante habe.
Wir
haben eine ganz andere Variante“ (Bl. 381 d. A.) Als der Antragsteller
nachfragt welche, wird ihm
fälschlich die vermeintlich völlige
Aussichtslosigkeit seiner Situation
suggeriert. KOK Groß, wiederum
wörtlich: „Wir haben eine andere Variante und das hört sich abenteuerlich
an, muss ich
Dir sagen. Und Du kommst aus der Sache nicht
raus
so“ (Bl. 381 d. A.)
· Diese suggerierte Ausweglosigkeit und die krasse Vorfestlegung auf
den Antragsteller als den
(alleinigen) Täter und die völlige Unempfänglichkeit
für andere Darlegungen manifestiert
sich schließlich im Satz von KOK Groß
„Sag bitte wie`s war, das ist in
5 Minuten gsagt, da haben
wir vorhin
schon drüber gesprochen. Lenk`s net auf andere.
Sag`s
wie`s war und dann machen wir das Beste draus“ (Bl. 382 d. A.)
Seite 31 von 134/ 32
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
· Dann wird dem Antragsteller sehr deutlich suggeriert, seine
Verurteilung
selbst sei nur noch eine Formsache,
es gehe nur mehr um die Frage, ob er
lebenslänglich in Haft müsse. KOK
Groß wiederum wörtlich:
„Red,
red um Dei Leben. Ich will net sagen red um Dei lebenslänglich.“
(Bl.
397 d. A.).
· Schließlich fordert KOK Groß ein falsches Geständnis mit den
Worten:
„Nichts
drum rum und nicht was du geseh´n hast“!
· Nach Aktenlage gibt es zahlreiche Hinweise auf die Beteiligung von
zumindest einem Mitglied der
Rockergruppe „B.“. (dazu an anderer
Stelle mehr) Trotzdem forderte KOK
Groß von M. Frey eine Aussage,
in der Mitglieder der Rockergruppe
nicht mehr vorkommen. Daraufhin
fordert KK Dippolt von M. Frey:
„Erzähl,
erzähl wie´s war und versuch net jetzt wieder irgend jemanden
da mit
reinzuziehen. Erzähl jetzt deine Geschichte, so wie sie war.
Aber wirklich
und wahr jetzt und versuch bitte net wieder eine dritte
Person mit reinzuziehen.“ (Bl. 400 d.A.)
· Zuvor gesteht KOK Groß sogar doch die Beteiligung einer weiteren
Person zu und bestätigt somit
Vorweginformationen gehabt zu haben:
„Wir
wissen viel mehr. Wir wissen viel mehr schon. Und das stimmt
nicht. Das
stimmt nicht, es war schon noch einer dabei, aber net so,
wie
du es erzählt hast. Ganz anders.“ (Bl. 382 d.A.)
Seite 32 von 134/ 33
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
· Schließlich war es M. Frey völlig verboten, von anderen
mutmaßlichen
Tätern zu sprechen:
KOK Groß: „Jetzt sind wir im Bereich vom Tatort. Wir kommen hin und
da
fehlt was anderes, Phantasiepersonen sind da.“ (Bl. 401 d.A.)
Dippold: „Lass mal die weg.“ (Bl. 401 d.A.)
Die vorangegangenen Beispiele
belegen, dass sich die vernehmenden Polizei-
Beamten vielfältiger unzulässiger
Vernehmungsmethoden bedienten.
Auch in zeitlicher Hinsicht stellte
die nächtliche Vernehmungssituation psychisch
wie physisch eine massive
Belastungssituation für den Antragsteller
dar und hätte in dieser Form nicht
erfolgen dürfen, da die Freiheit der Willensbetätigung
des Beschuldigten infolge von
Müdigkeit beeinträchtigt ist. Hierfür
ist es auch unerheblich, ob der
Beschuldigte selbst seine ermüdungsbedingte
Vernehmungsunfähigkeit zum Ausdruck
brachte, da eine nächtliche Vernehmung
über viele Stunden bis in die
Morgenstunden erkennbar dem Schutzzweck
des § 136a Abs. 1 StPO zuwider
läuft. Der Gemütszustand des Antragstellers,
der sich im Zuge der nächtlichen
Vernehmung einstellte, geht aus der
folgenden Schilderung, die er zu
Beginn seiner Haft verfasste, deutlich hervor
und bestätigt die Annahme seiner
ermüdungsbedingten Vernehmungsunfähigkeit:
„Ich
habe damals völlig resigniert, so als wäre ich innerlich abgestorben.
(…)
Die Ansätze meiner Versuche, doch noch zu erzählen, was
Seite 33 von 134/ 34
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
ich zum
Geschehen weiß, blieben ungehört. Es hat niemanden interessiert
– man
hat mich dumm angemacht. (…) Irgendwann früh um 4
Uhr habe ich
nach vielen Stunden pausenlosem Verhör aufgegeben.
So, wie sich
ein gehetzter Fuchs nach vielen Stunden Verfolgungsjagd
einfach
hinfallen läßt und aufgibt, habe auch ich mich erschöpft fallen
lassen
und gestanden.“
Der bewusst wahrheitswidrige Hinweis
des KOK Groß, es gebe Zeugen, die
das Treffen beobachtet hätten,
stellt überdies eine Täuschung und somit
ebenfalls eine verbotene
Vernehmungsmethode im Sinne des § 136a Abs. 1
StPO dar. Das Geständnis erfolgte
offenkundig auf der Grundlage zahlreicher
Suggestionen, Drohungen und
Täuschungen. Im Übrigen wird aufgrund der
Aktenlage deutlich, dass es dem
Antragsteller nahezu unmöglich gemacht
wurde, unbeeinflusst eine
Schilderung seiner Wahrnehmungen abzugeben.
Jeder Hinweis des Antragstellers auf
eine Gruppe unbekannter Männer wurde
als Fantasterei abgetan und
zurückgewiesen.
Das Geständnis hätte vom Gericht
daher keinesfalls der Beweiswürdigung zugrunde
gelegt werden dürfen.
(3) Unzulässige
Beschuldigtenvernehmung
Im Zusammenhang mit der
polizeilichen Vernehmung ist noch ein weiterer Aspekt
zu beanstanden. Wie bereits
erläutert wurde, hatten die Ermittlungsbehörden zum Zeitpunkt der ersten
Vernehmung laut Akteninhalt noch keinen
Seite 34 von 134/ 35
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Tatverdacht gegen den Antragsteller.
Laut Vernehmungsprotokoll wurde der
Antragsteller von Dienstag,
(29.08.1995) 23:40 Uhr bis Mittwoch (30.08.1995)
02:26 Uhr von den Polizeibeamten KOK
Groß und KK Dippold als Beschuldigter
vernommen. Die Vernehmung ist im
Protokoll unter der Überschrift „Fortsetzung
BV Matthias Frey“ abgedruckt.
Allerdings befindet sich in den Akten keinerlei Hin-
weis auf eine dieser „Fortsetzung“
vorangegangene Beschuldigtenvernehmung.
SOKO-Leiter KHK Wagner bestätigt die
Vernehmungszeit
von ca. 15:30 Uhr bis 23:30 Uhr
(Vermerk vom 29.08.1995). Dem Gericht wurde
bei seiner Urteilsfindung somit der erste Teil
der Beschuldigtenvernehmung
schlichtweg vorenthalten. Dies hätte
jedoch bei Durchsicht der Akten auffallen müssen.
Bezüglich des Vernehmungsprotokolls
sei noch auf einen weiteren sehr bemerkenswer-ten Aspekt hingewiesen:
Dem Vernehmungsprotokoll zufolge
drängt sich der Eindruck auf, der Antragsteller
spreche mit starkem Dialekt. Zur
Verdeutlichung folgt ein Ausschnitt aus dem Protokoll
(Bl. 360 d. A.):
B: Moment amol,
moment amol...
Es wor in
Gaustadt auf jeden Fall.
Sie hat gsagt
entweder do in dem Park, weil do is ja der
Parkplatz nä,
gegenüber do vo dem ....
Di: Welcher
Park?
Seite 35 von 134/ 36
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
B: Ja, vo der
Kirche do is doch Grünanlage..
Di: Ja...
B: hat sie
gsagt entweder do und dann hot sie gemahnt, aber mit ihrm
Vater und so,..
Di: Ist zu nah
am Haus?
B: Wie war
des?...
- Pause –
Am Schwimmbad
hat sie sich mit ihm verabredet
Di: Schwimmbad.
B: Ja.
Gr: Das war
eigentlich günstig zum "Abpassen".
B: Im
Gaustadter Schwimmbad...
Gr: Das war
eigentlich günstig, daß man ihn "abpassen" kann...
B:
Mann....Leut...
Di: Wann wollte
sie sich mit ihm treffen?
B: Des am
Sonntag, irgendwann...
Di: Das hat sie
doch sicherlich gesagt, um wieviel Uhr?
B: Wieviel Uhr,
des dürft ihr mich jetzt net frong.
Seite 36 von 134/ 37
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Diese Art der Darstellung im
Vernehmungsprotokoll ist jedoch nicht nachvollziehbar
und lässt Zweifel an der
Glaubwürdigkeit des Protokolls aufkommen,
da der Antragsteller nachweislich dialektfreies
Hochdeutsch spricht.
bb)
Falschgeständnis passt erkennbar nicht zu Ermittlungsergebnissen
Vor dem Hintergrund der
vorangegangenen Ausführungen, hätte das anfängliche
Falschgeständnis vom Gericht nicht
verwertet werden dürfen.
Unabhängig davon hätte die Kammer im
Zuge einer umfassenden Beweiswürdigung
eine Prüfung des Geständnisses auf
Glaubwürdigkeit und Plausibilität
vornehmen müssen. Das anfängliche
Falschgeständnis des Antragstellers
passt in vielerlei Hinsicht nicht zu
den Ermittlungsergebnissen. Es deckt sich
darüber hinaus nicht einmal mit den
Feststellungen im Urteil.
Soweit im Urteil angegeben wird,
eine
Zusammenschau des Geständnisses des Angeklagten vom01.09.1995 und all der
objektiv gesicherten Feststellungen (…)
lasse keinen Raum für Zweifel an der
Täterschaft und dem tatsächlichen Geschehens-ablauf entsprechend dem Geständnis
vom 01.09.1995, so ist dies nicht nur mit Blick auf die mangelnde
Verwertbarkeit des Geständnisses unzulässig, sondern auch unter
Berücksichtigung der aktenkundigen Ermittlungs
Seite 37 von 134/ 38
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
ergebnisse schlicht unzutreffend.
Wie es zu dem Falschgeständnis kam, wird
in dem entsprechenden Abschnitt zum
Widerruf des Falschgeständnisses
noch näher erläutert. An dieser
Stelle sei nur kurz vorgegriffen: Der Antragsteller
erhielt erst Jahre nach seiner
Verurteilung Einblick in die Ermittlungsakten
und wurde so auch auf die
Leichenbilder aufmerksam. Bei dieser Gelegenheit
fiel ihm auf, dass die Leiche des F.
Appel offenkundig nicht der Leiche entsprach,
die er entsprechend seiner
mehrmaligen Schilderung nach dem Zusammentreffen
mit einer Gruppe Unbekannter Männer
in Teuchatz gesehen hatte. Da der Antragsteller F. Appel nicht kannte und nie
zuvor gesehen hatte, ist es durchaus nachvollziehbar, dass es sich bei seinem
Beifahrer auf dem
Weg nach Teuchatz um einen anderen
Mann gehandelt haben könnte, der
sich lediglich als „Frank“ ausgab.
Wenn an dem Abend des 21.08.1995 also
ein anderer Mann von den Unbekannten
umgebracht wurde und dessen Leiche
später fortgeschafft worden ist,
wird auch deutlich und plausibel, warum
der vermeintliche Todeszeitpunkt des
F. Appel mit den Ermittlungsergebnissen
in vielerlei Hinsicht nicht
übereinstimmt:
Bei dem Beifahrer handelte es sich
mit großer Wahrscheinlichkeit nicht um F.
Appel und die Leiche, die der
Antragsteller gesehen hatte, wäre somit die eines
Unbekannten gewesen (hierzu erfolgen
bei den Ausführungen zum Geständniswiderruf
nähere Ausführungen)
Seite 38 von 134/ 39
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
(1)
Unstimmigkeiten im Fall F. Appel
(α) Todesursache bei F. Appel
Zur Todesursache wird im Urteil
folgendes ausgeführt:
„Die Feststellungen zu den Verletzungen
der beiden Getöteten und
zur
Ursächlichkeit dieser Verletzungen für ihren Tod beruhen auf dem
vom
Sachverständigen Dr. Honus bekundeten, bei den Obduktionen
am 28. und
31.08.1995 gewonnenen Erkenntnissen. Zweifel an der
Richtigkeit
dieser Feststellungen bestehen nicht.“ (UA, S. 39)
„Aus
mehreren scharfkantigen Knöchelverletzungen im vorderen Gesichtsbereich
lässt sich nach
den Ausführungen des Sachverständigen
entnehmen, dass
hier mindestens zwei, möglicherweise jedoch auch
drei wuchtige
Schläge mit der scharfen Beilseite geführt worden sind,
darüber hinaus
ein weiterer scharfkantiger Schlag im linken Schulterund
Brustbereich.“
(UA, S. 40)
Das angeklagte Tatgeschehen stimmt
offenkundig nicht mit dem Obduktionsergebnis
überein. In seinem vorläufigen
Obduktionsbericht vom 27.08.1995
stellte Dr. Honus neben zahlreichen
Schädelbrüchen einen Bruststich in Höhe
des linken Schlüsselbeins fest, der
offenkundig von einem Messerstich herrührte.
Im Anschluss an das vorläufige
Gutachten des Dr. Honus erging
Seite 39 von 134/ 40
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
„der
mündliche Auftrag des anwesenden Leitenden Oberstaatsanwalts,
dass nach
Abschluß der erforderlichen Untersuchungen ein abschließendes
schriftliches
Gutachten zu erstatten ist, wobei darum gebeten
wird, die
Ergebnisse der Untersuchungen unaufgefordert den Ermittlungsbehörden
und dem
Landgerichtsarzt schriftlich mitzuteilen." (Protokoll
vom 28.08.1995, BI. 035 Ziff. V.).
Matthias Frey legte am
29./30.08.1995 das mit dem Obduktionsergebnis in Widerspruch
stehende „Geständnis" ab. Das
in Auftrag gegebene „abschließende
schriftliche Gutachten befindet sich
allerdings nicht in den Akten. Entweder
wurde es also nie erstellt, der
Auftrag dafür zurückgenommen oder es wurde
dem Verteidiger und dem Gericht
vorenthalten. Beide Varianten würden ein eklatantes
Fehlverhalten der
Ermittlungsbehörden beinhalten, mit dem eine gerichtliche
Auseinandersetzung gänzlich
ausblieb.
Die Kriminalpolizei suchte jedenfalls
in der Konsequenz des vorläufigen Gutachtens
des Dr. Honus bei einer späteren
erneuten Durchsuchung im Anwesen
der Familie Frey nach einem zum
Verletzungsbild bei F. Appel passenden
Messer. Das Gericht setzte sich mit
der Stichverletzung in der Hauptverhandlung
jedoch erkennbar nicht auseinander.
Anderenfalls hätte die Frage nach der
Ursache der Stichverletzung
aufgeworfen werden müssen.
Zu der Verletzung im Brustbereich
heißt es im Urteil lediglich:
Seite 40 von 134/ 41
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
„ ... Ferner wurden das Brustbein und das linke Schlüsselbein durch
einen von innen
nach außen geführten scharfkantigen Schlag verletzt.
Der Tod des
Frank Appel trat aufgrund des infolge der schweren
Schädelverletzungen
auftretenden Blutverlustes ein." (U. S. 17)
Dies wirkt fast so, als sei die
Problematik des Messerstiches bewusst vernachlässigen
worden, um die Plausibilität des
Falschgeständnisses nicht in Frage
stellen zu müssen. Der Antragsteller
erinnert sich zudem, von dem damaligen
OStA Müller-Dahms vor der
ermittlungsrichterlichen Vernehmung aufgefordert
worden zu sein, sich nicht zur
Verwendung eines Messers zu äußern.
Dem vorläufigen Obduktionsbericht
waren freilich aktenkundig die folgenden
Erkenntnisse zu entnehmen:
· „Die linke erste Rippe am Brustbein scharf schräg von außen unten
nach oben innen
hinten durchtrennt. Am inneren vorderen Ende des
linken
Schlüsselbeins ein scharfer Einschnitt von innen vorn nach
außen
hinten." (BI. 032 Nr. 38).
· „ ... augenscheinlich scharfe Abtrennung der linken ersten Rippe
vom Brustbein
sowie Anschnitt des linken
Schlüsselbeins...“ (BI. 034
II Abs. 2).
„Die
Verletzungen im Schädelbereich sind augenscheinlich Folge
einer
mehrfachen stumpfen Gewalteinwirkung auf denselben, diejenigen
im
Brustbereich solche einer scharfen Gewalteinwirkung...„
(BI. 035 Nr. III).
Seite 41 von 134/ 42
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Auf dieser Grundlage finden sich in
der Ermittlungsakte die folgenden Feststellungen
von Polizei und Staatsanwaltschaft:
· „Nach dem vorliegenden Obduktionsbefund ist Frank Appel durch
Stichverletzungen
und stumpfe Gewalteinwirkung auf den Kopf
gestorben."
(BI. 621, StA).
· „Die Obduktion der Leiche durch die Gerichtsmedizin Würzburg
ergab, daß
Appel eine Stichverletzung im linken Brustbereich sowie
schwerste
Schädelverletzungen hatte." (BI. 617, Kripo).
„ Die
Obduktion ergab eine Stichverletzung im linken Brustbereich
sowie schwerste
Schädelverletzungen." (Anhang BI. 191, EKHK
Steinheimer)
„...
Aufgrund des Sektionsergebnis wurde Frank Appel ein Messerstich
in den Bereich
unterhalb des linken Schlüsselbeines versetzt."
(Anhang BI. 184, KHK Wagner)
· In der Anklageschrift ist später als medizinischer
Untersuchungsbefund
u.a. angegeben: „Zudem war die linke erste Rippe schräg
vom Brustbein
abgetrennt und fand sich am inneren vorderen Ende
des linken
Schlüsselbeins ein scharfer Einschnitt, der für das Auftreffen
einer Schneide
sprach." (S. 27)
Seite 42 von 134/ 43
MAGOLD,
WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Daraus wird im
Urteil:
„Ferner wurden das Brustbein und das linke
Schlüsselbein durch
einen von innen
nach außen geführten scharfkantigen Schlag
verletzt."
(U. S. 17).
Zu den Verletzungen führt das
Gericht noch einmal aus: „... darüber hinaus ein
weiterer
scharfkantiger Schlag im linken Schulter- und Brustbereich." (U. S. 40).
Von der Einwirkung scharfer
Gewalteinwirkung ist nicht die Rede, der Bruststich
als eine der Todesursachen wird
gänzlich vernachlässigt. Der Bruststich
wird vielmehr ernstlich mit einem
einzigen von innen nach außen geführten
Beilschlag (!) begründet.
Aus rechtsmedizinischer Sicht ist
die halbscharfe und die stumpfe Gewalt von
der scharfen Gewalt abzugrenzen. Bei
letzterer wird immer ein Tatwerkzeug
eingesetzt, das in irgendeiner Form
durch scharfe oder spitze Außenkonturen
in der Lage ist, auf mechanische
Weise Stoff, Haut, Knochen und andere Arten
von Geweben und Materialien zu
durchdringen oder einzuschneiden.
Eine Stichwunde zeichnet sich also
dadurch aus, dass der Wundkanal länger/
tiefer ist als die Hautwunde im
Durchmesser.
Seite 43 von 134/ 44
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Das als Tatwerkzeug angenommene
(Hand-)Beil der Marke „Sandvik" verfügt
im Übrigen auch nicht über eine
Spitze wie etwa ein Kampfbeil. Die Gebrauchswirkung
eines solchen Handbeils zieht
zwingend eine Spaltung oder Absprengung nach sich, nicht jedoch einen Stich,
wie er in der Brust des F. Appel gefunden wurde.
Die Verletzungen F. Appels im
Schulter- und Brustbereich stammen also von
einem schneidenden Tatwerkzeug –
allem Anschein nach von einem Messer.
Ausgeschlossen ist deren
Verursachung durch das vermeintliche Tatbeil, dessen
Schneide eine Länge von 11,5 cm
aufweist.
Gerade auf Bild 3 (Bilder finden
sich im Anh. Bl. 83 ff. d. A.) ist die Stichverletzung,
die etwa den Umfang einer kleineren
Münze aufweist an der in Frage
kommenden Stelle deutlich sichtbar.
Bei
Zugrundelegung des vorläufigen Obduktionsberichts und dem im Urteil
angenommenen
Tathergang, müsste F. Appel quasi mit einem Beil erstochen
worden sein,
was denklogisch nicht möglich ist.
Im vorläufigen Obduktionsbericht
wurde insbesondere deutlich zwischen
scharfer und stumpfer
Gewalteinwirkung differenziert:
„Das
schwärzliche, vorne und hinten bunt bedruckte T-Shirt oberhalb
und unterhalb
der linken Brustwarze mehrfach scharf durchtrennt. Da-
Seite 44 von 134/ 45
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
bei sieht man
auch hinten mehrere augenscheinlich scharfe Durchtrennungen."
(BI. 030 Nr. 13).
(…) „Die Verletzungen im Schädelbereich sind augenscheinlich Folge
einer
mehrfachen stumpfen Gewalteinwirkung auf denselben, diejenigen
im
Brustbereich solche einer scharfen Gewalteinwirkung.“ (BI. 35
Abschn. III aaO).
Daraus ergibt sich, dass F. Appel
ganz offensichtlich auch mit Messerstichen
im Bereich des Herzens verletzt
wurde und zwar von hinten und von vorne. Es
wurde oberhalb und unterhalb der
Brustwarze und auch hinten das T-Shirt jeweils
mehrfach scharf durchtrennt. Die
Obduzenten stellen fest, dass diese
Durchtrennungen
„augenscheinlich" scharf erfolgten, also mit bloßem Auge
und bestimmt erkennbar mit einem
scharfen Werkzeug.
Es ist davon auszugehen, dass die
Stichverletzungen entsprechend bluteten
und deshalb wegen der weitaus
schnelleren Fäulnis des Blutes in diesem Bereich
die Skelettierung besonders schnell
eingetreten ist. Diese Skelettierung
machte eine Untersuchung der Leiche
auf weitere Stichverletzungen in dem
skelettierten Bereich unmöglich.
In der
polizeilichen Vernehmung (Protokoll auf Bl. 417 d. A.) wird deutlich,
dass der
Antragsteller keine Kenntnis von den Verletzungen in der Brust
des Opfers
gehabt haben kann:
Seite 45 von 134/ 46
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Vernehmungsauszug:
Di: Hast du
dann irgendwie was mit seiner Kleidung gemacht hast ihn
da einfach
gezogen, der hat doch auch eine Jacke dabei gehabt,
oder?
B: Ja, die
hat's ausgezogen, wenn ich na rückwärts gezog'n hab.
Di: Die Jacke
ausgezogen?
B: Ja, ob's
jetzt ausgezog'n ich mahn des net, aber halt hochgezo'gn,
hochgeschoben
oder was.
Di: Und das
T-Shirt?
B: Des T-Shirt
nä, des hat er irgendwie, ich hab na des vorher schon
übern Kopf
gezog'n.
Gr: Hast ihm
schon vorher übern Kopf gezogen?
Di: Wann, als
er noch stand oder als er am Boden gelegen hat?
B: Ja, ...
Di: Damit er
nichts sieht oder was?
B: Des hat sich
halt so ergeb'n. Des hab ich halt irgendwie gepackt
oder was
Di: Im Kampf
irgendwie?
B: Oder so, ja.
Di: Hat er das
T-Shirt über'n Kopf gezogen gehabt?
B: Hm
..."Anm.: Ja).(BI. 417).
Die Angaben des Antragstellers sind
bereits dahingehend offenkundig unglaubwürdig,
als er behauptet, das T-Shirt hätte
er dem F. Appel schon über
den Kopf gezogen, als dieser noch
seine Jacke angehabt habe. Diesen WiSeite
46 von 134/ 47
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
derspruch kann er dann nur noch
damit erklären, dass er äußert, er hätte ihm
das T-Shirt bereits vor dem Kampf
über den Kopf gezogen. Diese Darstellung
ist wiederum objektiv
ausgeschlossen, weil das T-Shirt im Bereich des Herzens
vorne und hinten beschädigt und
somit im Zeitpunkt des Verletzungseintritts
unzweifelhaft regulär angezogen war.
Auch diese Auszug der
Beschuldigenvernehmung und die ihm innewohnende
Darstellung des vermeintlichen
Tatgeschehens ist symptomatisch für die gesamte
polizeiliche Vernehmung. Dem
Antragsteller wurden Suggestivfragen
gesteilt, Antworten in den Mund
gelegt und durch Vernehmungsmethoden
Sachverhalte erfragt, die er
offenkundig nicht kannte.
Mit den hierdurch evozierten
Widersprüchen zur objektiven Sachbeweislage
hat sich das Gericht dann in der
Hauptverhandlung nicht auseinandergesetzt.
Vernehmung zum Messer:
Besonders deutlich geht die
insoweitige Inkonsistenz aus dem Protokoll der
Beschuldigtenvernehmung hervor, in
deren Verlauf der Antragsteller zur Benutzung
eines Messers befragt wurde (Bl. 418
ff d. A.)..
Der Antragsteller hatte geschildert,
in der rechten Hand habe er ein Beil gehabt,
mit der linken Hand habe er Appel an
dessen Jacke festgehalten. Dennoch,
wohl aufgrund des klaren
Obduktionsergebnisses („Bruststich“), wurde
in der Folge im Anwesen der Familie
Frey nach einem möglichen Tatmesser
gesucht, wobei die Eltern des
Antragstellers sich kooperativ verhielten und den
Seite 47 von 134/ 48
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Beamten das Tauchermesser des Sohnes
und sein kleineres Taschenmesser
zeigten. Bei beiden Messern winkten
die Beamten ab und erklärten, sie suchten
ein anderes Messer mit einer Klinge
ganz bestimmter Länge und deuteten jeweils
mit den Zeigefingern beider Hände
die gemeinte Länge an. Auch am Tatort
oder sonst wo wurde freilich kein
Messer gefunden.
Diese Suchvorgänge sind nicht
protokolliert und/oder die Protokolle der Verteidigung
und dem Gericht vorenthalten worden.
Im weiteren Verlauf der Ermittlungen
wurden die Messerstiche dann nicht
mehr weiter erwähnt. Vor der
Vernehmung durch den Ermittlungsrichter
sprach der Leitende OStA
Müller-Dahms den Antragsteller, nach dessen
glaubhafter Darlegung, dann noch
einmal auf die Messerstiche an und forderte
ihn auf, vor dem Ermittlungsrichter
nicht mehr von den Messerstichen zu
sprechen. Er selbst werde dann
darauf auch nicht mehr zu sprechen kommen.
In der Tat fand sich der Sachverhalt
dann in der Anklage nur noch wie folgt:
„Er
benutzte dabei sowohl das hintere flache Beilende, wie auch die
Beilschneide.
Allein mit der Beilschneide traf er mindestens zweimal
den Kopf,
einmal im Bereich der Schädelmitte und einmal im Bereich
des
rechtsseitigen Unterkiefers. Ein weiterer Schlag mit der Beilschneide
traf Frank
Appel an der linken Seite des Brustbeines und am
linken
Schlüsselbein."
Seite 48 von 134/ 49
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Aus den Messerstichen macht der Leitende
Oberstaatsanwalt entgegen einen
(in der Art unmöglichen) Schlag mit
der Beilschneide (s. o. Ziff. 19.1 „Stichverletzungen").
Die Zweifel an der Todesursache
werden durch ein späteres rechtsmedizinisches
Gutachten bestätigt:
Kurzgutachten aus der Rechtsmedizin
der Universität München - Prof. Dr. Eisenmenger
- vom 22.11.2005 zum Todesfall F.
Appel:
„Im
Sektionsprotokoll werden „scharfe Durchtrennungen" des T-Shirts
beschrieben,
die „linke erste Rippe am Brustein scharf schräg von außen
unten nach oben
innen hinten durchtrennt. Am inneren vorderen
Ende des linken
Schlüsselbeins ein scharfer Einschnitt von innen vorn
nach außen
hinten". Im vorläufigen Gutachten wird eine augenscheinlich
scharfe
Abtrennung der linken ersten Rippe vom Brustbein sowie
Anschnitt des
linken Schlüsselbeins" aufgeführt, wobei die Verletzung
im
Brustbereich als Folge „einer scharfen Gewalteinwirkung" von den
Schädelverletzungen
im Sinne "einer mehrfachen stumpfen Gewalteinwirkung"
abgegrenzt
wird. Nachfolgend wird am von Weichteilen befreien
Schädel
eine „von der Verursachung her unabhängig von den drei
beschriebenen
Folgen einer stumpfen bis stumpfkantigen Gewalteinwirkung"
beschrieben,
und zwar an der rechten Gesichtshälfte, im Bereich
des
Augenbrauenwulstes lokalisiert, wobei sich nach fußwärts hin
weitere
Korrelate einer scharfen Gewalteinwirkung an Oberkiefer und
Seite 49 von 134/ 50
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Unterkiefer
finden. Es wird die „Einwirkung einer Schneide" diskutiert.
Im
gleichen Schriftsatz wird am linken Schlüsselbein „eine durch scharfe
Gewalteinwirkung
hervorgerufene spanförmige Abhebung" beschrieben.
Diese Befunde
sind tatsächlich nicht ohne weiteres mit dem angenommenen
Tatwerkzeug
(800 g Beil Sandvik) zu vereinbaren, vielmehr
sprechen diese
Befunde zunächst für ein messerähnliches
Werkzeug."
Insofern sind
nach vorläufiger erster Einschätzung in beiden Fällen
durchaus
Zweifel angebracht, ob sich das todesursächliche Geschehen
in beiden
Fällen tatsächlich auf eine stumpfe Gewalteinwirkung
gegen den
Schädel reduzieren lässt. Es ergeben sich Anhaltspunkte
für eine
darüber hinausgehende und andere Form der Gewalteinwirkung.
Zu einer
weitergehenden Stellungnahme und insbesondere zu einer
rekonstruktiven
Aufarbeitung wäre eine umfangreiche Auswertung ...
notwendig.
Prof. Dr. M.
Graw, Prof. Dr. W. Eisenmenger"
Beweis: Prof. Eisenmenger, Prof Dr. M. Graf (Stellungnahme)
Seite 50 von 134/ 51
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
(β) Todeszeitpunkt des F. Appel
Auch der im Urteil angenommene
Todeszeitpunkt hätte bei entsprechender
Prüfung der Ermittlungsergebnisse
nicht angenommen werden dürfen.
Wie bereits erläutert, hatte Herr
Dr. Honus im vorläufigen Obduktionsbericht
angegeben, sich bezüglich des
Todeszeitpunktes daran orientiert zu haben,
dass F. Appel zuletzt am 20.08.95
gesehen worden war. Diese Angabe wurde
später handschriftlich dahingehend
geändert, F. Appel sei zuletzt am 23.08.85
lebend gesehen worden. (Bl. 34 d.
A.)
Laut polizeilichen Informationen war
F. Appel zuletzt am 20.08.1995 lebend
gesehen worden, weshalb dies auch in
der Todesbescheinigung vermerkt
wurde (BI. 008).
Im Schreiben der Kriminalpolizeiinspektion
Bamberg vom 28.08.1995 an
die Staatsanwaltschaft Bamberg heißt
es:
„Nach
Auskunft der Gerichtsmedizin Würzburg, Herr Prof. Schulz,
dürfte der Todeszeitpunkt
in der Zeit zwischen dem 20. und
23.08.1995 liegen." (BI. 618).
Die Staatsanwaltschaft ihrerseits
stellt am 28.08.1995 fest: „nach dem vorliegenden
Obduktionsbefund
ist Frank Appel durch Stichverletzungen und stumpfe
Seite 51 von 134/ 52
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Gewalteinwirkung
auf den Kopf gestorben. Er wurde nach den bisherigen
Ermittlungen zuletzt
am Mittwoch dem 23.08.1995, gesehen." (BI. 621).
Dieser Termin ist weder aktenkundig,
noch aus dem Akteninhalt erklärbar.
Obwohl die Kriminalpolizei
ursprünglich ein anderes Datum mitgeteilt hatte,
schien für die Staatsanwaltschaft
der 23.08.1995 als Tattag festzustehen,
weshalb der Leitende
Oberstaatsanwalt veranlasste, die entsprechende Angabe
im vorläufigen Obduktionsbericht zu
korrigieren. Im „Vorläufigen Gutachten"
vom 28.08.1995 ist zum Todestag
ausgeführt:
„Nachdem
er am 20. August 1995 zuletzt lebend gesehen worden sei, wurde
... (BI. 034
Ziff. I).
Und: „Die Leichenerscheinungen sind auch mit einer Liegezeit einer
Reihe von
Tagen in
Einklang zu bringen, wobei aufgrund der Unterschiedlichkeit der
Leichenerscheinungen eine nähere Stellungnahme erst nach genauer Kenntnis
u.a. der
Wtterungsbedingungen bzw. gegebenenfalls auch der Untersuchung
der Maden
abgegeben werden kann," (BI. 035 Ziff. IV.)
Das maschinengeschriebene Datum
"20. August 1995" im Obduktionsbericht
wurde handschriftlich gestrichen und
berichtigt in „Mittwoch, 23. August 1995“.
Ein Nachweis dafür findet sich in
den Akten nicht. In der späteren Anklageschrift
vom 30.01.1996 findet sich als
Tattag der 20.08.1995.
Seite 52 von 134/ 53
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Bei einem Geschehensablauf nach den
gerichtlichen Feststellungen wäre F.
Appel jedoch am Sonntag, 20.08.1995,
gegen 23 Uhr, getötet worden. Das
Schwurgericht hat sich mit diesen
unterschiedlichen Daten jedoch gar nicht
auseinandergesetzt.
Einen objektiven Schluss auf den
Todeszeitpunkt lässt die Totenstarre zu. Ihre
Entwicklung ist stark
temperaturabhängig, wobei höhere Temperaturen die
vollständige Lösung der Totenstarre
begünstigen. Bei Temperaturen zwischen
18,8 und 30 ° C wird eine
beschleunigte Lösung der Leichenstarre angenommen.
(Burkhard Madea - Rechtsmedizin: Befunderhebung,
Rekonstruktion, S.
66). Gleiches gilt für die Leichen
schlanker Personen (was auf F. Appel zutrifft),
deren Totenstarre sich zügiger
wieder löst. (Burkhard Madea - Rechtsmedizin:
Befunderhebung, Rekonstruktion, S.
66)
Die Totenstarre tritt in der Regel
3-4 Stunden nach dem Tod ein und erreicht
ihre volle Ausprägung üblicherweise
nach 8 Stunden. (Burkhard Madea – Basiswissen
Rechtsmedizin, S. 73) Die
vollständige Lösung der Totenstarre tritt nach den in der Rechtsmedizin
gängigen Berechnungen von Mallach 1963 (aus Henßge/ Madea 1988) etwa 76 Stunden
nach dem Tod ein, wobei Standardabweichungen von +/- 32 Stunden berücksichtigt
werden müssen. (Burkhard Madea – Rechtsmedizin: Befunderhebung, Rekonstruktion,
S. 66).
Seite 53 von 134/ 54
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Für den Tod des F. Appel bedeutete
dies folgendes:
Im Bericht über die Obduktion am
27.08.1995, von 9.00 Uhr bis 11.30 Uhr,
heisst es u.a.: ,Augenscheinliche
Totenstarre noch in den Kniegelenken." (BI.
31 Ziff. 28).
Bei Zugrundelegung der obigen Daten
war F. Appel zum Zeitpunkt der Obduktion
am Morgen des 27.08.1995 mindestens
1,83 (44 Stunden) und höchstens
4,5 Tage (108 Stunden) tot, da die
Totenstarre bereits begonnen hatte, sich zu
lösen, allerdings die vollständige
Lösung noch nicht eingetreten war. Bei Berücksichtigung
der sommerlich warmen Temperaturen
und der Statur der Leiche
spricht vieles dafür, anzunehmen,
dass die Totenstarre im Fall F. Appel
sich relativ zügig gelöst haben
dürfte.
Trotz der entgegenstehenden
korrigierten Zeitangabe im vorläufigen Obduktionsbericht
wurde als Tatzeit in der Anklage
schließlich die Nacht vom
20.08.1995 auf den 21.08.1995
genannt, was in den Urteilsgründen ohne weitere
Auseinandersetzung der Kammer mit
den zeitlichen Ungereimtheiten entsprechend
übernommen wurde.
Dies würde allerdings bedeuten, dass
die Obduktion knapp 156 Stunden (6,5
Tage) nach dem Tod des F. Appel
durchgeführt wurde und die Totenstarre
immer noch nicht vollständig gelöst war.
Ein solches Ergebnis ist mit den oben
ausgeführten Erkenntnissen jedoch
nicht in Einklang zu bringen.
Seite 54 von 134/ 55
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
In diesem Zusammenhang wäre es
unerlässlich gewesen, ein endgültiges
Gutachten des Rechtsmediziners mit
Berücksichtigung der Temperaturen und
anderer individueller Faktoren zur
Erkenntnisgewinnung heranziehen zu können.
Ein solches findet sich jedoch
gerade nicht in den Akten.
Jedenfalls erscheint es vor dem
Hintergrund der noch teilweise ausgeprägten
Totenstarre zum Zeitpunkt der
Obduktion plausibler, dass F. Appel am
23.08.1995 tatsächlich noch lebend
gesehen wurde. Dies würde nämlich bedeuten,
dass zwischen seinem Tod und der
Obduktion höchstens vier Tage vergingen, was mit dem Zustand der Leiche in
Einklang zu bringen wäre.
Die Annahme, der Tod des F. Appel
könne frühestens am 23.08.1995 eingetreten
sein, stützt sich in der Tat auf
verschiedene diesbezügliche Zeugenaussagen:
1.) Frau E. Vacca (Mutter der L.
Vacca) gab an, dass F. Appel ihrer Kenntnis
nach am Mittwoch (Anm: also am
23.08.1995) von Freunden ins Klinikum Bamberg
zum Zwecke einer Entgiftung habe
gebracht werden sollen. (Bl. 148 d. A.);
2.) Laut M. Vacca (Bruder der L.
Vacca) hatte seine Schwester ihm erzählt,
F. Appel sei seit 48 Stunden in
U-Haft oder einer Nervenklinik gewesen
(Bl. 215 d. A.)
Seite 55 von 134/ 56
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
3.) D. Diegel berichtete, L. Vacca
habe ihm am 23.08.1995 erzählt, dass
mehrere Männer den F. Appel in einem
Auto nach Hof verbracht hätten
und ihn dort in einer Hütte
eingesperrt festhielten. (Bl. 280 d. A.)
Letzteres scheint auch insoweit
stimmig, als L. Vacca Kontakt zu einem
Motorradclub in Hof hatte, deren
Clubhaus auch als „Hütte“ bezeichnet wurde
und sie dorthin zu ihren sogenannten
„guten alten Freunden“ habe trampen wollen,
wie der Zeuge D. aussagte. (Bl. 280
d. A.)
Laut Aktenvermerk vom 22.08.1995
sollte L. Vacca am Mittwoch, 23.08.1995,
um 14.00 Uhr, wegen ihren Anzeige
zur Polizeidienststelle kommen, (BI. 127)
entschuldigte sich aber zunächst und
verschob diesen Termin auf ca. 15.30
Uhr. „Sie habe mit einem Freund,
den sie namentlich nicht nannte, vereinbart,
dass sie dieser
zur Polizei fahren werde. Das habe sich nunmehr aber zeitlich
verschoben." (BI. 129).
Im Schlussbericht der Polizei ist
nachzulesen, dass die Verletzungen der L.
Vacca tatsächlich an diesem Mittwoch
fotografisch gesichert wurden (BI. 648).
Der Antragsteller kann sie an dem
besagten Nachmittag nicht zur Polizeidienst-
Stelle gefahren haben, da er laut
Angaben der Zeugin H. am Mittwoch (23.08.1995)
von 11:00/ 12:00 Uhr mittags bis
etwa 21:00 Uhr ihrem Mann und ihrem Schwager geholfen habe. (Bl. 550)
Seite 56 von 134/ 57
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Dies stimmt auch mit den Angaben der
Mutter des Antragstellers überein, die
angab, er habe nach der Arbeit bei
Familie Hofmann geduscht und sei dann
nach Gaustadt gefahren, damit L.
Vacca gegen 22:00 Uhr bei D. D. sein
konnte.
(γ) Leichenfundort kann nicht der Tatort gewesen sein
Erhebliche Zweifel an der
Glaubwürdigkeit des Falschgeständnisses hätten
sich zudem aus den Feststellungen
zum Leichenfundort ergeben müssen. Bereits
in ihrem Pressebericht vom
28.08.1995 (findet sich in den Presseberichten,
die der Ermittlungsakte
vorangestellt sind) berichtet die Pressestelle der
PD Bamberg, der Leichenfundort sei
offenkundig nicht der Tatort. Es werde
daher angenommen, dass die Leiche
kurz vor dem Auffinden mit einem PKW
zum Fundort gebracht worden sei.
Für diese Annahme gab es zahlreiche
Hinweise:
Am Fundort der Leiche des F. Appel
wurde keine nennenswerte Blutmenge
gefunden. Auch bei einem später von
der Gerichtsmedizin durchgeführten
Luminolverfahren konnten keine
entsprechenden Blutmengen nachgewiesen
werden, obwohl laut
Obduktionsbericht erheblicher Blutverlust die Todesursache
gewesen sein soll. Auch bei
Zugrundelegung des im Falschgeständnis
geschilderten Tatablaufs hätte der
Leichenfundort aber eine erhebliche Menge
Blutes aufweisen müssen.
Seite 57 von 134/ 58
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Die Kammer nahm darüber hinaus an,
der Antragsteller habe entsprechend
seiner früheren Aussage die Leiche
nach der Tat quer über den Feldweg in
den Wald gezogen. (U. S. 18) Auch
hier wurden jedoch laut der Akte keinerlei
Blutspuren aufgefunden.
Im Übrigen wurde bei der
Fundortbegehung eine deutliche Schleifspur in der
Wiese bis hin zum Liegeort der
Leiche gefunden. (Bl. 21 d. A.) Bei Zugrundlegung
der späteren Annahme, F. Appel sei
am Abend des 21.08.95 (oder nach
Auffassung der Staatsanwaltschaft am
Abend des 23.08.1995) am Waldrand
bei Teuchatz getötet worden, so
hätte die Schleifspur bis zum 27.08.95 unverändert
bestehen bleiben müssen. Bei einer
späteren aktenkundigen Nachstellung
jenes Schleifvorganges ergab sich
allerdings, dass eine solche Schleifspur
nach spätestens 24 Stunden nicht
mehr sichtbar sein kann, da die Halme
des Wiesengrases sich wieder
aufrichten.
Es ist daher vor diesem Hintergrund
undenkbar, dass die Leiche 4 bis 6 Tage
vor ihrem Auffinden durch die Wiese
geschleift wurde und die Schleifspur
nach beinahe einer Woche noch immer
sichtbar gewesen sein soll.
Es verwundert also nicht, dass die
Polizei aufgrund ihrer Ermittlungen zunächst
feststellte, dass der Auffindeort nicht
gleichzeitig der Tatort gewesen
sein könne. (Bl. 618 d. A.)
Auch die Annahme des Gerichts, der
Antragsteller habe die Leiche des F. Appel
nach der Tat quer über den Feldweg
in den Wald gezogen (U. S. 18), ist
Seite 58 von 134/ 59
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
insoweit unglaubwürdig, als auch auf
dem vermeintlichen Schleifweg keinerlei
Blutspuren gefunden wurden.
(δ) Ablauf unglaubwürdig (U. S. 15/ 16)
Der Ablauf des geschilderten
Tatgeschehens entsprechend den anfänglichen
Einlassungen des Antragstellers war
denklogisch nicht möglich. Dies hätte
sowohl den Ermittlungsbehörden, wie
auch später der Kammer bei der Prüfung
des Geständnisses auf
Glaubwürdigkeit auffallen müssen. Der Antragsteller
hatte angegeben, mit dem Beil in der
Hand auf dem etwa 750 m langen
Weg am Teuchatzer Sportplatz vorbei
seitlich versetzt vor F. Appel gelaufen
zu sein. Es ist bereits kaum
nachvollziehbar, warum F. Appel einem ihm Unbekann-
ten mit Beil zum Waldrand hätte
hinterherlaufen sollen, wenn eigentlich vereinbart war, nach Teuchatz auf die
Kirchweih zu fahren. Schon insoweit ist der vom Antragsteller ursprünglich geschilderte
Tatablauf wenig glaubwürdig und hätte Fragen aufwerfen müssen.
Auch der Obduktionsbericht des Dr.
Honus und die darin geschilderten Verletzungen
des F. Appel passen erkennbar nicht
zu dem vom Gericht angenommenen Tatablauf.
Zur Verdeutlichung wird erneut auf
den betreffende Abschnitt aus dem Urteil
(UA S. 15-17) hingewiesen:
Seite 59 von 134/ 60
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Als Frank
Appel, der mit einem Angriff des Angeklagten nicht rechnete, am
Waldrand nach
seiner Taschenlampe suchte, kam er erstmals während des
gesamten Weges
vor dem Angeklagten zu stehen. Diese Situation nutzte
der Angeklagte
aus und schlug Frank Appel mit der stumpfen Seite des Beils
auf den
Hinterkopf. Zumindest nicht ausschließbar wollte der Angeklagte
entsprechend
seiner ursprünglichen Absicht Frank Appel bei diesem ersten
Schlag nicht
töten, sondern nur kampfunfähig machen, um ihn anschließend
mit den
Kabelbindern zu fesseln. Frank Appel gelang es zunächst wegzulaufen,
er wurde jedoch
nach ca. 20 Metern vom Angeklagten eingeholt.
Seine
Äußerung „ich sag Dirs noch einmal im guten“ beantwortete der
Angeklagte, der
erkannt hatte, dass Frank Appel nach dem ersten
Schlag nicht
kampfunfähig war, nun mit einer reihe wuchtig geführter,
auf den
Oberkörper und den Kopf gerichteter Beilschläge, wobei er
Frank Appel mit
der stumpfen Seite des Beils mindestens dreimal am
Kopf, mit der
Schneide des Beils mindestens zweimal im Gesichtsbereich
und einmal im
Brustbereich traf. Spätestens zu dem Zeitpunkt,
als der
Angeklagte dem Frank Appel diese Serie massiver, unmittelbar
aufeinanderfolgender
Schläge versetzte, wollte er damit dessen Tod
herbeiführen.
Die Schläge führte er mit dem in der rechten Hand gehaltenen
Beil aus,
während er seinen Kontrahenten mit der linken
Hand an der
Jacke festhielt. Dabei gelang es Frank Appel zwar, dem
Angeklagten mit
einem eckigen Gegenstand, möglichweise der Taschenlampe
oder dem
Schreckschussrevolver, in den Bauch zu
schlagen, eine
wirksame Gegenwehr konnte er, nur 175 cm groß und
ca. 62 kg
schwer, dadurch gegenüber dem ihm körperlich weit überleSeite
60 von 134/ 61
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
genen
Angeklagten jedoch nicht entfalten, was der Angeklagte erkannte.
Nachdem Frank
Appel infolge der heftigen Beilschläge zu Boden
gegangen war
und keinerlei Gegenwehr mehr zeigte, holte der
Angeklagte
dessen auf den Weg liegende und noch brennende Taschenlampe
und stellte,
als er Frank Appel anleuchtete, fest, dass dieser,
nachdem er noch
einmal kurz geröchelt hatte, tot war.
Infolge der mit
der stumpfen Seite des Beiles geführten Schläge entstanden
am Schädel des
Getöteten drei ausgedehnte Zertrümmerungen
der
Schädeldecke im Bereich der linken Schläfenregion übergreifend
auf
Scheitelbein und Stirnbein (7 x 6,8 cm), im Übergangsbereich
des rechten
Schläfenbeins zum Scheitelbein und Stirnbein (5 x 5 cm),
sowie in der
linken Hinterkopfregion übergreifend auf das linke Schläfenbein
(5 x 2,8 cm).
Durch mindestens zwei mit der Beilschneide geführte
Schläge
entstand zum einen am rechten knöchernen Augenbrauenwulst
sowie am
Oberkiefer eine tiefe schartenartige Knochenverletzung,
zum anderen
wurde ein Teil des rechten Unterkiefers vollständig
abgesprengt.
Ferner wurden das Brustbein und das linke
Schlüsselbein
durch einen von innen nach außen geführten scharfkantigen
Schlag
verletzt. Der Tod des Frank Appel trat aufgrund des infolge
der schweren
Schädelverletzungen auftretenden Blutverlustes ein.
(…)“
Die Kammer kam demnach zu der
Auffassung, F. Appel sei nach dem ersten
Beilhieb mit der stumpfen Seite auf
den Hinterkopf noch etwa 20 m weit gelau
Seite 61 von 134/ 62
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
fen und habe dann noch mit dem
Antragsteller gerangelt. Ein derartiger Ablauf
stimmt zwar mit dem anfänglichen
Falschgeständnis überein, ist bei verständiger
Betrachtung mit dem
rechtsmedizinischen Befund jedoch nicht in Einklang
zu bringen.
Die benannte Verletzung am
Hinterkopf des F. Appel erfüllte nämlich die Kriterien
eines sogenannten offenes
Schädelhirntraumas („lochartiger Defekt“
etwa 5x2,8 vm Bl. 792, Defekt Nr.
3). Wie die Mehrzahl der übrigen im Rahmen
der Obduktion festgestellten
Verletzungen war sie erheblich genug, um
sofortige Bewusstlosigkeit zur Folge
zu haben. Die Ermittlungsbehörden und
nachfolgend die Kammer hätten somit
erkennen müssen, dass mit Blick auf
die schwerwiegenden Verletzungen des
F. Appel der weitere Ablauf schlicht
unvorstellbar ist. Insbesondere
konnte unmöglich angenommen werden,
dass ein Opfer
mit einem derartigen „Loch“ im Hinterkopf noch 20 Meter
weit läuft und danach
körperlich in der Lage sein soll, mit einem körperlich
überlegenen
Angreifer zu rangeln. Darüber hinaus stellte die
Rechtsmedizin
keine Abwehrverletzungen an Armen
und Händen des F. Appel fest.
Unabhängig von der vermeintlichen
Gegenwehr des F. Appel war auch die übrige
Überzeugung der Kammer vom Ablauf
der Tat nicht nachvollziehbar. Es
ist kaum vorstellbar, dass der
Antragsteller quasi in einem Wechsel von „Vorhand
und Rückhand“ abwechselnd mit der
stumpfen und der scharfen Beilseite
auf ihn eingeschlagen haben soll,
wenn er F. Appel gleichzeitig mit der linken
Hand an der Jacke festgehalten hat.
(U. S. 16) Er müsste dafür im Übrigen
auch so nah vor ihm gestanden haben,
dass die Schläge, die die Verlet
Seite 62 von 134/ 63
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
zungen des F. Appel verursacht haben
sollen, nicht mehr hätten vollführt werden
können.
Darüber hinaus nahm die Kammer an,
F. Appel habe die Schreckschusspistole,
die wie sich später herausstellen sollte
seinem Stiefvater gehörte, dem Antragsteller
zum Zwecke der Gegenwehr in den
Bauch gestoßen. Dies dünkt
höchst unglaubwürdig. Es hätte sich
die Frage aufdrängen müssen, warum F.
Appel die geladene (!) Pistole nicht
abfeuerte. Dies hätte entsprechende Verletzungen
beim Antragsteller hervorgerufen,
die man im Rahmen der ärztlichen
Untersuchung des Antragstellers
hätte feststellen können. Letztlich konnte
aber nicht einmal der im
Falschgeständnis geschilderte Handlungsablauf
durch die Ergebnisse der ärztlichen
Untersuchung des Antragstellers bestätigt
werden. Hätte sich F. Appel mit
einem Schlag in den Bauchraum und mehreren
Tritten gewehrt, so hätten zumindest
Hämatome beim Antragsteller auftreten
müssen. Solche wurden jedoch bei der
ärztlichen Untersuchung nicht festgestellt.
In diesem Zusammenhang ist neuerlich
darauf hinzuweisen, dass sich das
Gericht offenkundig nicht mit der
Art der beim Opfer festgestellten Verletzungen
auseinandergesetzt hat. Anderenfalls
hätte man der Frage nachgehen
müssen, wie die Stichverletzung im
Brustbereich des Toten mit den Schilderungen
des Antragstellers vom
vermeintlichen Tatgeschehen in Einklang zu bringen sind,
der aktenkundig nichts schildert,
was einem Stich auch nur nahekäme.
Diese Diskrepanz zwischen dem offenkundigen
Falschgeständnis
und dem Obduktionsergebnis ist
eklatant. Besonders nachdenklich stimmt in
Seite 63 von 134/ 64
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
diesem Zusammenhang, dass der LOStA
Müller-Dahms den Antragsteller,
nach dessen glaubhaftem Bekunden,
vor dessen ermittlungsrichterlicher Vernehmung
ausdrücklich aufforderte, sich nicht
(mehr) zu dem Messerstich zu
äußern. In der Anklageschrift war in
den Ausführungen zum Tathergang dann,
wie oben bereits dargelegt, nur noch
von „Beilhieben“ die Rede.
In jedem Falle hätte die Kammer sich
zwingend mit diesen evidenten Unstimmigkeit,
die sich klar aus den Akten ergaben,
auseinandersetzen müssen.
Stattdessen legte die Kammer ihrer
Entscheidung ein Tatgeschehen zugrunde,
das weder mit dem polizeilichen
Geständnis des Antragstellers, noch mit
der Stichverletzung des F. Appel in
Deckung zu bringen war.
(ε) Fehlendes Motiv
In Anbetracht der Schwere der beiden
Verbrechen, die dem Antragsteller zur
Last gelegt wurden, ist umso
erstaunlicher, dass sich weder die Ermittlungsbehörden,
noch das Gericht mit der Tatsache
auseinandergesetzt haben, dass
der Antragsteller kein erkennbares
Motiv für die ihm zur Last gelegten Taten
hatte. Ein derartiges Motiv konnte
auch aufgrund der Zeugenaussagen nicht
festgestellt werden. Der
Antragsteller kannte L. Vacca aus einem Kurs des Arbeitsamtes
und pflegte ein bekanntschaftliches
Verhältnis zu ihr. Den F. Appel
hatte der Antragsteller nie
kennengelernt. Die Angaben des Antragstellers, nie
eine Beziehung zu L. Vacca gepflegt
zu haben, die über ein kameradschaftliches
Verhältnis hinausging, konnte
letztlich von den Angehörigen des Antragstellers
und darüber hinaus auch von Freunden
und Familie der L. Vacca be stätigt werden.
Seite 64 von 134/ 65
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Auch die Kammer stellte in den
Urteilsgründen schließlich fest, ein sexuelles
Verhältnis des Antragstellers zu L.
Vacca sei auszuschließen.
Bei Taten von derartiger Schwere ist
nicht nachvollziehbar, wie die Täterschaft
angenommen werden konnte, ohne dass
zureichende Motive hätten festgestellt
werden können. Letztlich ist auch
schwer nachvollziehbar, wie sich die Kammer mit der Annahme zufrieden geben
konnte, der Antragsteller habe F. Appel letztlich aus einem vermeintlichen
Gerechtigkeitsempfinden heraus getötet, nachdem L. Vacca ihn aufgefordert habe,
ihm lediglich eine „Abreibung“ zu erteilen.
(2)
Unstimmigkeiten im Fall L. Vacca
(α) Leichenfundort indiziert anderen Tatablauf (Bl. 1229)
Auch im Zusammenhang mit dem Tod der
L. Vacca stimmen die Ermittlungsergeb-
Nisse mit den Feststellungen im
Urteil nicht überein.
Bereits die Ermittlungen zum
Leichenfundort ergaben, dass der Tatablauf in
der vom Antragsteller anfangs
geschilderten Form nicht zutreffen konnte. Am
Tatort fanden sich keine den
Schilderungen des Antragstellers entsprechenden
Blutspuren. Der Antragsteller hatte
angegeben, nach dem ersten Schlag
auf den Schädel die reglose L. Vacca
etwa 50 m weit getragen zu haben. Bei
Zugrundelegung dieses
Geschehensablaufs, hätte notwendigerweise sowohl
am Leichenfundort, wie auch an der
Kleidung des Antragstellers eine nicht
unerhebliche Menge Blutes gefunden
werden müssen. Die sichergestellte
Seite 65 von 134/ 66
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Kleidung des Antragstellers wies
jedoch keinerlei entsprechende Rückstände
auf. (Bl. 299 d. A). Auch die
gerichtsmedizinische Untersuchung des Tatortes
ergab jedoch, dass gerade auf dem
vermeintlichen „Trageweg“ entlang des
Ackerrains bis zur Liegestelle der
Leiche und auch an der Liegestelle selbst
keine entsprechenden Blutspuren
feststellbar waren. (Bl. 135 d. Akte)
Vor diesem Hintergrund wird
deutlich, dass die berichtigte Darstellung der
Tatabläufe im Schreiben des
Antragstellers an Richter Dengler (hierzu folgen
im nachfolgenden Abschnitt zum
Geständniswiderruf nähere Ausführungen)
deutlich glaubhafter erscheint, als
die Feststellungen im Urteil. Den berichtigten
Ausführungen des Antragsstellers
folgend, habe er die Leiche der L.
Vacca am Tag nach ihrem nächtlichen
Treffen an der Scheune gefunden und
sie daraufhin zum Gebüsch getragen.
Da die Leiche der L. Vacca zu diesem
Zeitpunkt bereits ausgeblutet
gewesen sein muss, sind die fehlenden Blutspuren
aufgrund dieser Schilderung deutlich
nachvollziehbarer. Weder die Ermittlungsbe-
hörden, noch die Kammer haben sich
jedoch mit diesen Unstimmigkeiten
näher befasst.
Auch das silberfarbene Halsband, das
etwa 6 m von der Liegestelle der L. Vacca
entfernt gefunden und asserviert wurde, wurde
offenbar nicht als Anlass für weitergehende Ermittlungen angesehen. Obgleich
das abgerissene Hals-band
einen Hinweis auf den möglichen
Täter oder andere Beteiligte hätte geben können, wurden keine weiteren
Ermittlungen zu seinem Eigentümer aufgenommen. (Bl. 299 d. A.)
Seite 66 von 134/ 67
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Allein die Tatsache, dass der
Antragsteller Kenntnis vom Leichenfundort hatte
und die Polizei auf den Stein als
Tatwerkzeug hinwies, hätte nicht genügen
dürfen, um von der Täterschaft des
Antragstellers auszugehen. Der Antragsteller
hatte sich mit L. Vacca am Abend der
vermeintlichen Tat getroffen und
sie auf ihren Wunsch hin nach Buttenheim
gefahren, da sie sich dort mit ihren
sogenannten „guten alten Freunden“
treffen wollte. Da L. Vacca ihm den
Treffpunkt an der Scheune genannt
hatte, war für den Antragsteller auch naheliegend,
dort nach L. Vacca zu suchen,
nachdem sie am folgenden Tage als
vermisst galt. Auch die Tatsache
dass der Antragsteller den Stein, der in unmittelbarer
Nähe der Leiche lag, als Tatwerkzeug
ausmachte, ist in diesem
Zusammenhang keineswegs
überraschend. Der Stein hatte flächige offenkundige
Blutanhaftungen und lag in
unmittelbarer Nähe der Leiche, weshalb bei
objektiver Betrachtung des
Leichenfundortes ein entsprechender Rückschluss
auf diesen Stein als Tatwerkzeug
mehr als naheliegend war.
Darüber hinaus fällt auch im
Zusammenhang mit der Untersuchung der Tötung
der L. Vacca auf, dass die
Ermittlungsbehörden nicht gründlich vorgingen,
sondern wesentliche Ergebnisse der
Ermittlungen beiseite ließen. Aus den Akten
lassen sich hinsichtlich der
gesicherten Spuren keinerlei Rückschlüsse
auf den Antragsteller ableiten.
Seine DANN konnte am vermeintlichen Tatort
nicht aufgefunden werden.
Daneben verwundert es enorm, dass
die sichergestellten Fingernägel der L.
Vacca (Bl. 304 d. A.) zwar der
Rechtsmedizin übergeben wurden, sich dann
aber kein Ergebnis über eine entsprechende
Spurensicherung unter den Fin
Seite 67 von 134/ 68
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
gernägeln findet. Da der
Leichenfundort (mit Blick auf die abseits liegende
Kette) auf einen Kampf hindeutet und
die an der Leiche festgestellten Strangula-
Tionsmale ebenfalls eine Gegenwehr
des Opfers nahelegen, hätten entsprechen-
De Spuren unter den Fingernägeln
aufschlussreiche Erkenntnisse ermöglichen
können. Dieser Spur wurde jedoch gar
nicht nachgegangen.
Auch die Untersuchung des
Landgerichtsarztes vom 30.08.1995 ergab, dass
keinerlei Abwehrspuren der L. Vacca
an dem Antragsteller gefunden werden
konnten. (Bl. 467 d. A.)
(β) Todesursache durch Strangulation
gänzlich unberücksichtigt
Auch die Todesursache der L. Vacca
hätte bei entsprechender Auseinandersetzung
mit den objektiven
Ermittlungsergebnissen gravierende Zweifel am angeklagten
Tatablauf hervorrufen müssen.
In der Anklageschrift wird
geschildert, der Antragsteller habe der ahnungslosen
L. Vacca von hinten den Feldstein
wuchtig auf den Kopf geschlagen, woraufhin
sie sofort nach vorne umgefallen
sei. Anschließend habe er sie etwa 50 Meter weit
zu der Hecke getragen, in der sie
aufgefunden wurde und habe ihr, nachdem er den Feldstein herbeigeholt habe, mit
mehreren Schlägen den Hinterkopf zerschlagen.
In seiner polizeilichen Vernehmung
vom 30.08.1995 hatte der Antragsteller jedoch
die folgenden Angaben gemacht: „Lucia lag auf dem Boden. Ich habe mit
Seite 68 von 134/ 69
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
beiden Händen
den Stein hochgehoben und der Lucia auf den Kopf geschlagen.
Ich habe zwei- bis dreimal mit dem Stein zugestoßen. (…) Ich kniete neben
der Lucia. Sie
lag auf dem Rücken. Ich habe sie ein Stück in das Gestrüpp
gezogen, da lag
sie auf dem Bauch, und dann habe ich noch ein paar Mal mit
dem Stein
zugeschlagen und sie immer wieder im Kopfbereich getroffen.“
(Bl. 459 d.A.)
In der ermittlungsrichterlichen
Vernehmung am 30.08.1995 schilderte er darüber
hinaus: „(…) ich habe 5 oder 10 mal zugeschlagen in Richtung Kopf. (…)
Später im
Gebüsch, als Lucia auf dem Bauch lag, habe ich vielleicht noch 5
mal mit dem Stein zugeschlagen, die Zahl weiß ich nicht mehr genau.“ (Bl.
447 d.A.)
Im Rahmen der polizeilichen
Vernehmung vom 01.09.1995 schilderte der Antragsteller
den Tathergang folgendermaßen: „(…) bin wieder zurück zur Lucia
gelaufen und
habe dort noch öfter zugeschlagen, immer in den Kopfbereich.
Wie oft ich da
genau zugeschlagen habe, weiß ich nicht mehr. Ich kann keine
Zahl
nennen. (…) Jedenfalls war sie dann, wie ich sie hinten hingelegt habe,
auf dem Rücken
gelegen. Als Lucia in Rückenlage war, habe ich weiter auf die
mit dem Stein
eingeschlagen.“ (Bl. 502 d.A.)
Bei der ermittlungsrichterlichen
Vernehmung am 04.09.1995 gab der Antragsteller
schließlich an: „Zur Sache mit der Luzi möchte ich mich ausschweigen.
(…)
Alles, was ich am Freitag bei der Polizei gesagt habe, habe ich freiwillig
Seite 69 von 134/ 70
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
und
von mir aus gesagt, ob es richtig ist, das kann ich allerdings nicht sagen.“
(Bl. 511 d.A.)
Letztendlich sagt er am 06.09.1995
während einer weiteren Vernehmung aus:
„Ich weiß es nicht mehr genau, laßt´s
halt so, wie es jetzt ist. Ich hab´s doch
schon
gesagt. Das kann doch passen.“ (!) (Bl. 524 d.A.)
Der polizeiliche Bericht der KPI
Bamberg über die Auffindesituation der Leiche
traf dagegen folgende Feststellungen
(Bl. 301 d. A.):
„Im Bereich des Halses ist, quer, etwa im Kehlkopfbereich, eine Art
Abschürfung
oder Strangulationsmarke erkennbar. Inwieweit diese
vom
Lederbändchen herrührt, kann zunächst nicht weiter beurteilt
werden.
Vermutlich hat das genannte Lederbändchen auf der Rückseite
vom Hals der
Toten eine Art Strangulationsfurche hinterlassen,
die
relativ gut erkennbar war.“
Im Rahmen der Leichenöffnung durch
Dr. Honus wurden die folgenden Erkenntnisse
beschrieben (Bl. 306 ff. d. A.):
„Über
der Drosselgrube verläuft eine ca. 13 cm lange und bis 1 cm
breite
unregelmäßige rötlich bräunliche bandförmige Hautvertrocknung.
Sie steigt ganz
gering von rechts nach links auf. In etwa parallel
dazu und knapp
3 Querfinger darüber gelegen an der rechten Halssei
Seite 70 von 134/ 71
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
te bis zum
Adamsapfel hin eine ähnliche Veränderung. (Bl. 306 d. A.)
(…)
Die vordere
gerade Halsmuskulatur auf der Schilddrüse bzw. unterhalb
derselben an
der prominenten Stelle auf ca. 4 zu 4 cm Größe blutig
durchsetzt. Der
linke Schilddrüsenlappen hinten äußerlich fleckig
blutig
durchsetzt. Rechts unten die Muskulatur auf der Wirbelsäule
entsprechend
ebenfalls fleckig eingeblutet. Das rechte untere Schildknorpelhorn
abgebrochen. Die
Weichteile hier am Unterrand des
Schildknorpels
zerrissen. Die Umgebung verwaschen blutig durchsetzt.
Das rechte
große Zungenbeinhorn am Körper abgeknickt, hier
keine
Unterblutung. (…)
Die
kleinen Lungen gut gebläht, blass und relativ trocken.“
Im vorläufigen Gutachten heißt es
sodann (Bl. 309 ff. d. A.):
„…
massive stumpfe bis stumpfkantige Gewalteinwirkungen
auf den
Hinterkopf
(…) aufgrund Blutarmut der Organe davon auszugehen,
dass sie an der
Folgen der Schädelverletzung im Rahmen eines Verblutens
gestorben
ist.“
Im Übrigen hätte auch das
Aussageverhalten im Zuge der oben geschilderten
Vernehmungen Anlass zu Zweifeln an
der Glaubwürdigkeit des Geständnisses
geben müssen. Während der
Antragsteller anfangs noch schilderte, er habe
Seite 71 von 134/ 72
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
mehrere Male auf den Kopf der L.
Vacca eingeschlagen – er sogar angab, sich
an eine bestimmte Zahl an Schlägen
zu erinnern – wirkte sein Aussageverhalten
zunehmend verunsichert. Schließlich
gab der Antragsteller an, sich
nicht mehr zu erinnern und deshalb
auch keine Angaben mehr machen zu
können. Er widersprach sich nicht
nur hinsichtlich der Anzahl der Schläge,
sondern auch bezüglich der
Liegeposition der Leiche in Rücken- bzw. Bauchlage.
Am Ende steht dann der überaus
bemerkenswerte Satz des Antragsstellers
(s.o.): „Ich hab`s doch schon gesagt. Das kann doch passen.“
Im Zusammenhang mit dem
Obduktionsergebnis werden bei genauer Betrachtung
des oben geschilderten Aussageverhaltens
des Antragstellers die folgenden
zwei Aspekte deutlich:
1. Obduktionsbericht und
„Geständnis“ stehen zueinander in eklatantem Widerspruch.
Neben den Strangulationsmalen,
wurden ausschließlich zwei
Schlagverletzungen festgestellt, die
sich jeweils am Hinterkopf des Opfers
befanden. Die Obduktion ergab
demnach überhaupt keine Verletzungen,
die auf eine Schädelverletzung in
Rückenlage hindeuten würden. Auch die
Anzahl der laut Schilderung des
Antragstellers vollführten Schläge passt in
keiner Weise zu den objektiv
festgestellten Verletzungen.
2. Hinweise der Gerichtsmedizin auf
Erdrosseln:
Die Drosselmarken allein beweisen
noch keinen Erstickungstod, sondern
erst die inneren Befunde an der
Leiche.
Seite 72 von 134/ 73
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Erstickungsveränderungen sind vor
allem in Organen mit lebhaften Stoffwechselvorgängen
zu beobachten wobei gerade
Trockenheit der Organe
für ein Ersticken charakteristisch
ist. Die Obduktion L. Vacca's hat ergeben:
die Organe und das Gewebe waren
ausgesprochen blutarm und trocken.
Das gilt so auch für die Lunge.
Deren Blähung jedoch ist im Zusammenhang
mit den übrigen Erstickungsbefunden
der klare Hinweis auf einen Erstickungstod
Vacca's: Die mechanische Behinderung
der Atmung führte
zum typischen Erstickungsbefund, der
Lungenblähung, durch den sog.
CO2-anstiegsbedingten Atemantrieb.
Bei der Einblutung des Ansatzes des
großen Kopfnickermuskels beiderseits
am Schlüsselbein handelt es sich
ebenfalls um ein typisches Merkmal
für einen Erstickungstod durch
äußere Gewalteinwirkung auf den
Hals. Im Urteil findet sich zu
diesen medizinischen Fakten: nichts.
4.
Wiederaufnahmerechtliche Würdigung
Der objektive Inhalt der
Ermittlungsakten ließ es bei verständiger Durchsicht
nicht zu, den angeklagten
Sachverhalt als zutreffend anzunehmen. Dennoch
findet sich der Sachverhalt, den die
Staatsanwaltschaft der Anklage zugrunde
gelegt hatte, im Urteil nahezu
deckungsgleich wieder.
Die Ermittlungsergebnisse, die in
offensichtlichem Widerspruch zu dem anfänglichen
Geständnis des Antragstellers
standen und die zahlreichen unge klärten Spuren,
Seite 73 von 134/ 74
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
hätten eine weitergehende Aufklärung
des Sachverhalts zwingend
erfordert.
Darüber hinaus wird vor dem
Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen
deutlich, dass das Tatgeschehen sich
schlichtweg nicht so zugetragen
haben kann, wie im Urteil
festgestellt. Der zweifelhafte Todeszeitpunkt des F.
Appel und die Unstimmigkeiten
hinsichtlich der Leichenfundorte hätten zwingend
in die gerichtliche
Überzeugungsbildung einfließen müssen. Auch mit der
tatsächlichen Todesursache und den
Unstimmigkeiten am Tatort im Fall L.
Vacca hat sich die Strafkammer nicht
auseinandergesetzt, weshalb dem Urteil
letzten Endes lückenhafte und
darüber hinaus auch falsche „Erkenntnisse“ zugrunde
gelegt wurden. Zusätzlich hätte auch
die fehlende Motivlage Grund zu
Zweifeln an der Täterschaft des Antragstellers
erregen müssen.
Der Schuldspruch ist bei
Berücksichtigung sämtlicher zuvor aufgeführter Tatsachen
nicht aufrecht zu erhalten. Die
fehlende Berücksichtigung der objektiv
der Anklage entgegenstehenden
Ermittlungsergebnisse wirkte sich zulasten
des Antragstellers aus. Die Kammer
hat auch nicht etwa nur einzelne Aspekte
der erforderlichen Beweiswürdigung
übersehen, sondern sowohl im Fall F.
Appel, als auch im Zusammenhang mit
der Tötung der L. Vacca zahlreiche
entscheidende Ermittlungsergebnisse unberücksichtigt
gelassen. Die vorstehend
dargelegten offenkundigen
Widersprüche und Diskrepanzen hätten sich
jedoch den Ermittlungsakten
entnehmen lassen. Letztlich kam das Gericht so
zu einem Ergebnis, das schon auf
Grundlage der Ermittlungsakte schlechterdings
nicht hätte getroffen werden können.
Seite 74 von 134/ 75
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
II. Rücknahme
des anfänglichen Falschgeständnisses, § 359 Nr. 5 StPO
1.
Wiederaufnahmegrund
Hiermit wird
der Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 5 StPO geltend
gemacht.
Auch der Widerruf eines
Geständnisses stellt einen Wiederaufnahmegrund im
Sinne des § 359 Nr. 5 StPO dar (OLG
Köln, NStZ 91, 96). Da die Rechtskraft
des Urteils nicht willkürlich
unterlaufen werden darf, ist der Geständniswiderruf
als Wiederaufnahmegrund freilich nur
unter ganz bestimmten Voraussetzungen
geeignet. Diese Voraussetzungen sind
im vorliegenden Fall jedoch sämtlich
erfüllt, was im Folgenden dargelegt
wird:
Bereits in den vorangegangenen
Kapiteln ist in unterschiedlichen Zusammenhängen
angeklungen, dass das anfängliche
„Geständnis“ des Antragsstellers
in seinen unterschiedlichen
Ausführungen jeweils nicht mit den Ermittlungsergebnissen
in Einklang zu bringen war, weshalb
die Unwahrheit des Geständnisses
ohne Weiteres anhand der
Ermittlungsakte dargelegt werden kann.
(OLG Köln, StV 89, 98).
Im Folgenden wird - darüber hinaus -
der tatsächlich zutreffende Sachverhalt
erneut geschildert. Die berichtigte
Schilderung beruht zum einen auf einem
Brief des Antragstellers, den er
nach der Urteilsverkündung dem damaligen
VorsRiLG Dengler zukommen ließ
(s.o.). Zum anderen beinhaltet die berichti
Seite 75 von 134/ 76
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
gende Darstellung einen Aufsatz des
Antragstellers mit dem Titel „Die verschwun-
dene Leiche“, den er nach mehreren
Jahren seiner Haft durch seinen Vater ver-
öffentlichen ließ. Die Erkenntnisse,
die in besagtem Aufsatz verarbeitet werden,
gewann der Antragsteller erst,
nachdem ihm mehrere Jahre nach seiner Verurteilung erstmalig Akteneinsicht
gewährt wurde und er anhand der Leichenbilder feststellte,
dass es sich bei der (entsprechend
seiner Schilderung im Brief an Herrn Dengler) gefundenen Leiche nicht um die
des F. Appel gehandelt haben kann. Diese Erkenntnis
des Antragstellers erklärt seine
anfänglichen Einlassungen und lässt darüber hinaus
das gesamte Tatgeschehen in einem
vollständig anderen Lichte erscheinen. Überdies
ist es möglich, anhand der
Schilderungen des Antragstellers und unter Berücksichtigung der unter diesem
Aspekt äußerst aufschlussreichen Vernehmungsprotokolle, darzulegen, welche im
Einzelnen nachvollziehbaren Beweggründe zu dem falschen Geständnis führten,
womit sämtliche Voraussetzungen für die Wiederaufnahme infolge des
Geständniswiderrufs erfüllt sind. (BGH NJW 77, 59.)
Die Rücknahme
des Falschgeständnisses wird hiermit zudem ausdrücklich
wiederholt.
Seite 76 von 134/ 77
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
2. Das anfängliche „Geständnis“
Die Urteilsfindung des Gerichts
beruht in erster Linie auf dem Geständnis des
Antragstellers, das dieser im Rahmen
der polizeilichen und ermittlungsrichterlichen
Vernehmungen abgegeben hat.
Dieses „Geständnis“ wurde jedoch
wahrheitswidrig abgelegt und entspricht
nicht dem tatsächlichen
Geschehensablauf. Der Antragsteller hatte bereits in
der Nacht vom 29. auf den 30.08.1995
im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung
wiederholt auf die Tatbeteiligung
mehrerer unbekannter Männer
hingewiesen. Die vernehmenden
Polizeibeamten KOK Groß und KK Dippold
hatten jedoch sämtliche Hinweise des
Antragsstellers auf die wahren Täter als
Ablenkungsversuche zurückgewiesen
und dem Antragsteller von Beginn an
suggeriert, dass er als Täter
bereits feststehe. Im weiteren Verlauf wurde der
Antragsteller mit Drohungen,
Suggestionen, Täuschungen und falschen Versprechungen
dazu gedrängt, wahrheitswidrig die
(alleinige) Täterschaft an der
Tötung der beiden Opfer einzuräumen.
Angesichts der von den Polizeibeamten
angedrohten Folge einer lebenslangen
Freiheitsstrafe, sah sich der Antragsteller
– angesichts der ihm suggerierten
Aussichtslosigkeit eines Bestreitens
und in der Hoffnung auf eine
mögliche Milderung der Strafe – dazu gezwungen,
die Täterschaft in beiden Fällen
wahrheitswidrig einzuräumen.
Ein Wiederaufnahmegrund liegt aber
gerade vor, wenn ein Geständnis zu dem
Zweck abgelegt wird, eine höhere
Bestrafung zu verhindern. (OLG Stuttgart,
NJW 99, 375)
Seite 77 von 134/ 78
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Bereits als die Polizei den
Antragsteller nach der Hausdurchsuchung – zunächst
vermeintlich als „Zeugen“ - zur
Vernehmung mitnahm, äußerte einer der Polizei-
beamten gegenüber der Mutter des
Antragstellers, ihr Sohn werde für sehr lange
Zeit nicht mehr nach Hause kommen.
Auch der damalige Verteidiger des
Antragstellers riet dem Antragsteller vor der Hauptverhandlung zu einem
Geständnis und stellte ihm eine Strafmilderung
infolge von § 21 StGB in Aussicht.
(siehe „Beweggründe“)
Vor diesem Hintergrund wird
deutlich, warum der Antragsteller erst am
05.11.1996 in seinem Brief an den
VorsRiLG Dengler sein anfängliches
Falschgeständnis widerrief und das
tatsächliche Geschehen schilderte.
3. Beweggründe
des Falschgeständnisses
Zu der Ursächlichkeit falscher
Geständnisse gibt es umfangreiche rechtspsycholo-
Gische Untersuchungen, die
Erklärungsansätze für diese schwer nachvollziehbare
Problematik suchen.
In ihrem Aufsatz „Falsche
Geständnisse: Warum unschuldige Menschen Verbrechen
gestehen, die sie nicht begangen
haben“ erläutern die Psychologen Prof. Harald Merckelbach (Mitgründer und ehem.
Dekan der psychologischen Fakultät an der Universität Maastricht) und Jennifer
M. Schell-Leugers dieses Phänomen wie folgt:
Seite 78 von 134/ 79
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
„Die
Taxonomie falscher Geständnisse
(…)
Risikofaktoren können vor allem im Bereich der Sozialpsychologie
wiedergefunden
werden. Saul Kassin und Lawrence Wrightsman erstellten
im Jahre 1985
eine Taxonomie falscher Geständnisse mit drei
Kategorien:
freiwillige falsche Geständnisse (voluntary), erzwungene
falsche
Geständnisse (coerced-compliant) und erzwungene, internalisierte
falsche
Geständnisse (coerced-internalized). Zu der ersten Kategorie
gehören
Geständnisse, die freiwillig gemacht werden, zum
Beispiel um
öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Als im Jahre
1932 das Baby
des berühmten Fliegers Charles Lindberg entführt
wurde,
gestanden mehr als 200 Personen das Verbrechen. Viele waren
psychiatrische
Patienten, die in ihren paranoiden Gedanken fest
davon
überzeugt waren, dass sie der Täter sind. Ein anderer Grund
für diesen
Typus von Geständnissen ist der Versuch jemanden zu decken.
Erzwungene
Geständnisse entstehen unter Polizeidruck während einer
Vernehmung.
Unschuldige Menschen gestehen Verbrechen, um
dieser
Vernehmungssituation zu entkommen, ohne an die langfristigen
Konsequenzen
zu denken. Oft werden solche Geständnisse durch Isolierung
der
Verdächtigen sowie langen und konfrontationsreichen Vernehmungstechniken
ausgelöst.
Ein Beispiel dafür ist der Central Park
Jogger Fall
in New York im Jahre 1989. Fünf Jugendliche, die zwischen
14 und 30
Stunden lang vernommen wurden, gestanden am
Seite 79 von 134/ 80
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Ende eine
brutale Vergewaltigung, die sie nicht begangen hatten. Sie
sagten später
aus, dass sie einfach nur noch nach Hause wollten und
deswegen den
Polizist/innen sagten, was sie hören wollten. Im Nachhinein
stellte sich
heraus, dass alle fünf Jugendlichen unschuldig waren
(Drizin &
Leo, 2004). Die dritte Kategorie, erzwungene, internalisierte
Geständnisse,
beschreibt Geständnisse, die durch Polizeidruck
entstehen und
von dem Unschuldigen als wahr anerkannt werden.
Diese
unschuldigen Bekenner glauben dann wirklich die Tat begangen
zu haben.
Dies passierte in Kiel im Jahre 2006 im Fall Schwertz.
Wolfgang Schwertz war von den Ermittlern so
lange ‚weichgekocht’
worden, bis
er einen Mord zugab, den vermeintlich sein ‚böses
Ich’,
der
‚Wolf in ihm’ begangen hatte (Friedrichsen, 2010).“
Falschgeständnisse treten demnach
unter anderem als Folge von Resignation
und Überforderung im Angesicht der
erheblichen Drucksituation einer Vernehmung
auf. Vor dem Hintergrund dieser
wissenschaftlichen Beobachtungen
lässt sich auch die folgende
Schilderung des Antragstellers nachvollziehen,
die er in einem Aufsatz zu seinen
polizeilichen Vernehmungen veröffentlichte:
„Ich
habe damals völlig resigniert, so als wäre ich innerlich
abgestorben.
(…)
Die Ansätze meiner Versuche, doch noch zu erzählen, was
ich zum
Geschehen weiß, blieben ungehört. Es hat niemanden interessiert
– man
hat mich dumm angemacht. (…) Irgendwann früh um 4
Uhr habe ich
nach vielen Stunden pausenlosem Verhör aufgegeben.
So, wie sich
ein gehetzter Fuchs nach vielen Stunden Verfolgungsjagd
Seite 80 von 134/ 81
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
einfach
hinfallen läßt und aufgibt, habe auch ich mich erschöpft fallen
lassen
und gestanden.“
Die immense Drucksituation, in der
sich der Antragsteller befand, lässt sich
anhand der Ermittlungsakte
anschaulich nachvollziehen.
Bereits die vorläufige Festnahme
(die offiziell ja keine solche gewesen sein
soll) im Rahmen eines großen
Polizeiaufgebots von etwa 12 Polizeibeamten
kam einer Machtdemonstration gleich,
die ihre einschüchternde Wirkung kaum
verfehlen konnte. Auch die
nächtliche Vernehmung zog nicht ohne Grund eine
(erfolglose) Strafanzeige
(11.08.2005) wegen Verdachts der Aussageerpressung
nach sich.
Im Folgenden werden beispielhaft
kurze Auszüge aus den Vernehmungsprotokollen
wiedergegeben, die verdeutlichen,
dass der Antragsteller nicht nur
durch zahlreiche Suggestionen zu
bestimmten Aussagen gedrängt, sondern
auch in unzulässiger Weise zu einem
Geständnis genötigt wurde:
Die unzulässigen Vernehmungsmethoden
der beiden Polizeibeamten und ihre
wahrheitswidrigen Behauptungen
gegenüber M. Frey zeigen sich im Einzelnen
wie folgt:
Die Absicht und Kenntnis der Folgen
der nächtlichen Vernehmung ist abzulesen
aus der Äußerung des KOK Groß:
Seite 81 von 134/ 82
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
„…dann soll´n sie dich die ganze Nacht
noch drücken. Du bist soweit,
daß des alles
sagen könntest. Aber irgendwie etwas blockiert dich
noch.“ (Bl. 401 d.A.)
Nachweislich wahrheitswidrig
behauptet KOK Groß:
„Sagen
sie mir, wo sie sich getroffen haben? Wir haben Zeugen, dass
sie gesehen
wurden. Also tun sie nicht rum.“ (Bl. 359 d.A.)
Schließlich forder KOK Groß ein
falsches Geständnis mit den Worten:
„Nichts
drum rum und nicht was du geseh´n hast“!
Nach Aktenlage gibt es im
Vernehmungszeitpunkt nicht den geringsten Anlass
anzunehmen, dass die Tat nicht von
einem Mitglied der Rockergruppe „Bat´s“
verübt wurde oder zumindest jemand
von diesen bei der Tat anwesend war.
Trotzdem forderte KOK Groß von M. Frey
eine Aussage, in der Mitglieder der
Rockergruppe nicht mehr vorkommen.
Daraufhin fordert KK Dippolt von M.
Frey:
„Erzähl,
erzähl wie´s war und versuch net jetzt wieder
irgendjemanden
da mit
reinzuziehen. Erzähl jetzt deine Geschichte, so wie sie war.
Aber wirklich
und wahr jetzt und versuch bitte net wieder eine dritte
Person mit
reinzuziehen.“ (Bl. 400 d.A.)
Vorher gesteht KOK Groß sogar doch
die Beteiligung einer weiteren Person
zu und bestätigt somit
Vorweginformationen gehabt zu haben:
Seite 82 von 134/ 83
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
„Wir wissen viel mehr. Wir
wissen viel mehr schon. Und das stimmt
nicht. Das
stimmt nicht, es war schon noch einer dabei, aber net so,
wie
du es erzählt hast. Ganz anders.“ (Bl. 382 d.A.)
Schließlich war es M. Frey dann
völlig verboten, von weiteren Tatbeteiligten zu
sprechen:
Groß: „Jetzt sind wir im Bereich vom Tatort. Wir kommen hin und da
fehlt
was anderes, Phantasiepersonen sind da.“ (Bl. 401 d.A.)
Dippold: „Lass mal die Weg.“ (Bl. 401 d.A.)
Nach allgemeinen Erkenntnissen
resultieren Geständnisse daraus, dass der
Vernommene seine Strategie zur
Stressbewältigung aufgibt und nach anfänglichen
Bemühungen resigniert. M. Frey
schildert die Situation wie folgt:
„Ich
habe damals völlig resigniert, so als wäre ich innerlich abgestorben.
(…)
Die Ansätze meiner Versuche, doch noch zu erzählen, was
ich zum
Geschehen weiß, blieben ungehört. Es hat niemanden interessiert
– man
hat mich dumm angemacht. (…) Irgendwann früh um 4
Uhr habe ich
nach vielen Stunden pausenlosem Verhör aufgegeben.
So, wie sich
ein gehetzter Fuchs nach vielen Stunden Verfolgungsjagd
einfach
hinfallen läßt und aufgibt, habe auch ich mich erschöpft fallen
lassen
und gestanden.“
Seite 83 von 134/ 84
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Auf die Bemühungen des
Antragstellers, ein Strafverfahren wegen der verbotenen
Vernehmungsmethoden in die Wege zu
leiten, reagierte die Staatsanwaltschaft
Bamberg mit Beschluss v. 02.11.2005
mit der folgenden Feststellung:
Bei der Vernehmung durch die Polizei
handele es sich „allenfalls“ um unzulässige
Vernehmungsmethoden. Allerdings
liege in unzulässigen Vernehmungsmethoden
keine strafbare Aussageerpressung,
weshalb von der Einleitung
eines Ermittlungsverfahrens
abgesehen werde. (Bl. 401 f. d. A.)
Auch der damalige Verteidiger des
Antragstellers riet dem Antragsteller zu einem
Geständnis und stellte ihm eine
Strafmilderung infolge von 21 StGB in
Aussicht. Der Antragsteller
schilderte dies später in seinem Aufsatz „Mandantenverrat“
(der Name des Verteidigers wird
nachfolgend mit S. abgekürzt):
„Als S. mich zum
zweiten Mal aufsuchte, erklärte ich ihm eindringlich
und
unmissverständlich, dass ich die beiden mir zur Last gelegten
Morde nicht
begangen habe und schilderte ihm den tatsächlichen
Hergang,
soweit er mir bekannt war. S. entgegnete mir jedoch, dass
die Spuren
sowie die Beweislast keinerlei Hinweise enthalten würden,
die meine
Schilderungen bestätigen könnten. Nachdem ich verurteilt
war, stellte
sich heraus, dass die Akten randvoll mit Entlastungsfakten
und
-Hinweisen waren, die exakt meinen Schilderungen entsprachen!
Seite 84 von 134/ 85
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Um den
Tatvorwurf mir gegenüber zu entkräften, legte S. großen Wert
darauf, nicht
von Mord, sondern lediglich von Totschlag zu reden. Angeblich
hätte dies
auch die Staatsanwaltschaft so gesehen. In der
Verhandlung
sei sogar erst noch zu klären, ob es sich womöglich -
speziell im
ersten Fall - "nur" um Körperverletzung mit Todesfolge
handeln
würde.
Weiterhin
erklärte er, dass ihm die beiden Opfer bekannt gewesen wären,
da er selbst
bereits mit Lucia Vacca zu tun hatte (in wie fern auch
immer).
So wie schon
vorher die Herren der Kripo und Prof. Dr. Rösler, versuchte
auch S., mir
die Realität auszureden um mir zu suggerieren,
ich hätte ein
Verhältnis mit Lucia Vacca angestrebt und mich dann irgendwie
in die beiden
Taten verrannt. Dazu versuchte er, mir L.
Vacca in
langatmigen Schwärmereien schmackhaft zu machen, als
ginge es
darum, mir den Mund mit einem Stück Steak wässrig zu machen.
Wie auch
schon vorher bei der Kripo und Prof. Dr. Rösler, lehnte
ich dies
entschieden ab. Nebenbei sei auch darauf hingewiesen, dass
in den Akten
von Anfang an absolut glaubwürdige Belege zu finden
sind, die
jegliche Beziehungsgeschichten ausschließen.
Daraufhin
fuhr S. fort, vom Ergebnis des psychologischen Gutachtens,
das Prof. Dr.
Rösler kurz zuvor von mir erstellt hatte, zu sprechen.
Seite 85 von 134/ 86
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Seiner
Aussage nach habe Prof. Dr. Rösler mir den § 21 zugesprochen.
Dieser
Paragraf*) enthält die Vorschriften über die verminderte
Schuldfähigkeit
(aus welchen Gründen auch immer). Somit hätte ich -
laut S. -
allerbeste Chancen, lediglich für Körperverletzung mit Todesfolge
und
Totschlag im minderschweren Fall mit „nur“ maximal sechs
bis sieben
Jahren davon zu kommen. Diese - so S. - müsse ich nicht
im Gefängnis
absitzen, da mir der § 21 Anspruch auf einen Therapieplatz
gewähren
würde (vgl. z.B. Fall Mollath, Fall U. Kulac!). Da ich
mich bereits
für zwei Morde, die ich nicht begangen hatte, bis an mein
Lebensende
unschuldig hinter Gittern sitzen sah, wirkte diese Erklärung
auf mich wie
ein warmer Sonnenaufgang. Ich habe mich von S.
tatsächlich
mit dieser dreisten Lüge völlig einnehmen lassen. Ich hatte
nicht mehr
den geringsten Zweifel daran, einen guten Verteidiger hinter
mir
stehen zu haben auf den ich mich voll verlassen kann.“
Darüber hinaus gab der Antragsteller
in seinem (im Folgenden abgedruckten)
Brief an den VorsRiLG Dengler an, am
Tag nach dem Vorfall in Teuchatz einen
Anruf von einem der mutmaßlichen
Täter erhalten zu haben, der ihm
drohte, ihn und seine Familie zu
töten, wenn er eine entsprechende Aussage
machte.
Diese Häufung an Bedrohungen
vermittelte dem Antragsteller, allein ein Geständnis
könne seine, von ihm als
aussichtslos empfundene, Lage verbes
Seite 86 von 134/ 87
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
sern. Dies verwundert auch nicht, da
offensichtlich war, wie wenig selbst den
Ermittlungsbehörden an umfassender
Untersuchung der Taten gelegen war.
4.
Tatsächlicher Geschehensablauf
Im Folgenden wird die
handschriftliche Beschreibung des Antragstellers über
den tatsächlichen Geschehensablauf
(Seiten I – XVII) wiedergegeben.
a) Geschehen
zum Nachteil des F. Appel
Den Abend des 20. August 1995
schildert der Antragsteller in dem Brief an
den VorsRiLG Dengler als Tatzeit der
Tötung des F. Appel. Wie sich Jahre
später herausstellen sollte,
handelte es sich bei der fremden Person, die der
Antragsteller für F. Appel hielt
jedoch um einen unbekannten Dritten. Die entsprechenden
Ausführungen erfolgen ebenfalls in
diesem Kapitel. Da es sich
bei der Person nach der damaligen
Überzeugung des Antragstellers jedoch
unzweifelhaft um F. Appel handelte,
entspricht die folgende Schilderung seinen
Wahrnehmungen vom Geschehen zur
Tatzeit.
„L.
Vacca brauchte einen Fahrer, der ihren Ex-Freund F.
Appel abholen
würde. Daher
überredete sie mich innerhalb von scheinbar mehreren
Stunden F.
Appel unter dem bekannten Vorwand in Gaustadt abzuholen.
Sie erzählte
mir, F. Appel habe noch Material, (womit sie irgendwelche
Drogen meinte)
das ihr gehören würde. Weiterhin erzählte
sie, sie selbst
müsse diese Drogen bezahlen, oder falls sie es nicht
Seite 87 von 134/ 88
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
verkaufen könne
wieder zurück bringen. Da sich L. Vacca selbst nicht
in der dominanten
Rolle sah von F. Appel Geld, bzw. die Drogen zurück
zu fordern,
arrangierte sie ein Treffen direkt zwischen F. Appel
und denjenigen,
bei den sie diese Schulden hatte. Dabei erkannte sie
zugleich auch
die Chance F. Appel aus Rache auch gleich dazu eine
Abreibung zu
verpassen, indem er ohnehin zur Erpressung der Forderungen
Prügel beziehen
würde. Ich selbst glaube jedoch nicht dass
diese Idee auf
ihrem eigenen Mist gewachsen ist, da ich schon aus ihren
früheren
Äußerungen heraus nicht den Eindruck hatte, dass sie F.
Appel irgendwie
etwas Derartiges antun wollte. Auch erklärte sie F.
Appel
wäre ein „Feigling“, worauf sie auch vermutete dass F. Appel
zur Erpressung
kaum Prügel beziehen müsse. Natürlich fragte ich, wer
diese Freunde
wären, oder ob ich sie vielleicht sogar persönlich kennen
würde. Worauf
mir L. Vacca erzählte, sie würde diese Leute
schon sehr
lange kennen und sie hätte größtes Vertrauen, da sie ihr
auch
schon früher oft geholfen hätten.“(…)
„Zuerst
lehnte ich noch mit der Ausrede, ich hätte kein Auto, ab. Daher
stellte sich L.
Vacca vor, ihre Idee ganz einfach spät in die Nacht zu
verschieben.
Genau an diesem Punkt fehlte mir die Fähigkeit, wie
schon
so oft in meinem Leben zuvor, ganz einfach „NEIN“ zu sagen.
Ich hatte auch
keine Ausrede mehr parat. So kam es dass mich L.
Vacca ohne mich
eigentlich direkt nach meiner Zustimmung zu fragen
in ihr Vorhaben
mit einplante. Noch am selben Nachmittag verwirklich
Seite 88 von 134/ 89
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
te sie ihren
aktuellen Plan, indem sie per Telephon ihre Freunde und auch
F.
Appel verständigte.“ (…)
Der Antragsteller schildert sodann,
er habe auf L. Vacca´s Anweisung hin den
(vermeintlichen) F. Appel in
Gaustadt abgeholt und sei mit ihm in die Bamberger
Hafengegend gefahren, wo die Freunde
der L. Vacca mit einem BMW bereits
warteten. Hinter dem schwarzen BMW
habe ein weiterer PKW geparkt,
an dem ein weiterer Unbekannter
gelehnt habe. Dieser Unbekannte sei auf
das Auto des Antragstellers
zugekommen und habe sich mit „F. Appel“, der
ihm offenkundig bekannt gewesen sei,
unterhalten. Der Unbekannte habe den
Antragsteller sodann aufgefordert,
dem BMW zu folgen. Der Antragsteller
schilderte, er sei von dieser
Anweisung überrascht worden, da er ursprünglich
lediglich mit L. Vacca vereinbart
habe, F. Appel am Hafen abzuliefern. Er sei
jedoch der Anweisung des Fremden
nachgekommen und dem BMW nach
Teuchatz gefolgt.
„Irgendwann
hielt der BMW an und die Leute stiegen aus. F. Appel
und auch ich
wussten zwar nicht was los war und wie es nun weiter
gehen sollte,
doch offensichtlich waren wir angekommen (wo auch
immer) und so
stiegen auch wir aus. Spätestens an diesem Punkt
zweifelte ich
an der Richtigkeit meines Dazutuns zur Ausführung der
Idee L.
Vacca´s. Denn eigentlich sollte deshalb ausgerechnet ich F.
Appel abholen
und zum vereinbarten Treffpunkt in das Hafengebiet
bringen, weil
L. Vacca´s Überlegungen nach F. Appel diese BMWFreunde
kannte und
daher sofort davonlaufen würde, sobald er sie
Seite 89 von 134/ 90
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
sehen würde. F.
Appel machte nicht den Eindruck dass er sich bedroht
fühlen würde
und davonlaufen wolle. So nahm ich an dass L.
Vacca ihre Idee
vielleicht geändert haben könnte oder womöglich sogar
tatsächlich
irgendwo sein
könnte. (…)
(…)
Der ganze Haufen, einschließlich Appel ging gemeinsam ohne
jegliche
Erklärung den Feldweg zu Fuß weiter. Ich war sehr verunsichert
und wusste
nicht ob ich endlich wieder nach Hause gehen könnte,
denn es hätte
schließlich sehr wahrscheinlich sein können, dass
ich wieder
jemanden mitnehmen müsste. Ich wusste auch nicht wen
ich jetzt
fragen könnte, oder ob ich vielleicht ohne jegliches wieder ins
Auto einsteigen
sollte um wieder nach Hause zu fahren. Also schloss
ich mich der
Gruppe an, hielt mich jedoch eher etwas zurück, da ich
ohnehin nicht
mehr wusste was weiterhin noch geschehen sollte. Außerdem
rechnete ich
auch damit dass es jeden Moment eine Prügelei
geben würde,
zwischen deren Fronten ich nicht geraten wollte.
Es wurde ein
paar Meter den Feldweg entlang mehr spaziert als gegangen.
Irgendwann
hielt die Gruppe an und einer dieser BMW-Leute
fragte F.
Appel, ob er F. Appel wäre. F. Appel bejahte, darauf schlug
ihn ein anderer
BMW-Typ der irgendwo hinter Appel stand, irgendwie
von hinten auf den Kopf. F. Appel ging in die Knie, schrie kurz auf (…)
und fragte was
das soll. Appel wurde an den Haaren wieder hochgehoben.
Es wurde viel
geschimpft, viel geschrien und Appel bekam immer
wieder Schläge
oder Ohrfeigen ins Gesicht, oder sonst wie auf
Seite 90 von 134/ 91
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
den Kopf. Ich
zog mich etwas zurück, weil ich mir das nicht ansehen
wollte. Ob im
Geschrei über Geld, oder Drogen gestritten wurde kann
ich heute nicht
mehr sagen. Ich weiß auch nicht ob außer dem Beil
noch weitere
Waffen benutzt wurden und ich kann auch nicht mit Bestimmtheit
sagen
ob alle, oder nur einzelne auf F. Appel einschlugen.“
(…)
„Als F. Appel am Boden lag, fing
eine Person aus der Gruppe an mit
einem
Gegenstand sehr heftig auf seinen Kopf einzuschlagen. Da ich
dies für maßlos
übertrieben hielt, ging ich dazwischen und packte den
Täter am Arm.
Als dieser mich allerdings davon stieß und erneut zum
Schlag ausholte
ging ich ein zweites Mal dazwischen und hielt mich
verkrampft an
dem Gegenstand fest. Als ich wieder weggestoßen
wurde, riss ich
im Sturz das Beil aus seiner Hand und warf es anschließend
seitlich in den
Wald.“
Im Anschluss habe laut der
Schilderung des Antragstellers die Gruppe einen
lautstarken Streit angefangen, in
dessen Folge der „Wortführer“ den Antragsteller
aufgefordert habe, gemeinsam mit
einer weiteren Person zu der Wohnung
des F. Appel zu fahren, um diese
nach etwas zu durchsuchen. Auf dem
Weg zur Wohnung habe der unbekannte
Beifahrer jedoch darauf bestanden,
auszusteigen und sei, nachdem er dem
Antragsteller versehentlich nicht nur
die Schlüssel des F. Appel, sondern
auch seinen eigenen Schlüssel gegeben
habe, mit dem Hinweis verschwunden,
er werde nachkommen.
Seite 91 von 134/ 92
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Nachdem der Antragsteller vergeblich
auf seinen Begleiter gewartet habe, habe
er die Wohnung des F. Appel
verlassen und sei zum Bamberger Krankenhaus
gefahren, wo er den verletzten F.
Appel vermutet habe. Nachdem allerdings
kein dunkler BMW auf dem Parkplatz
des Krankenhauses gestanden
habe, sei er schließlich zurück nach
Teuchatz gefahren, wo er nur noch einige
Gegenstände und eine Leiche vorgefunden
habe.
„Ich
stand dann ewig untätig in der Gegend herum und wusste nicht
was ich jetzt
tun sollte und wie ich mich verhalten sollte. Sicherlich
denke ich heute
anders darüber, aber damals sah ich mich ganz klar
und ohne jeden
Zweifel als mitschuldig an Appels Tod und somit auch
als Mittäter
vor dem Gesetz. So sah ich mich damals genötigt die Leiche
F.
Appel´s zu verstecken, was ich dann auch tat.“
Am nächsten Tag sei er zu L. Vacca
gefahren und habe von ihr erfahren, einer
der „BMW-Freunde“ habe ihr
telefonisch versichert, dass alles in Ordnung sei
und F. Appel bei einem Freund in Hof
in einer Hütte eingesperrt sei.
„Auch
wenn ich selbst zu Appels Tod nicht Hand anlegte, so stand für
mich ganz klar
fest dass man mich genauso als Mörder mit einsperren
würde
wie alle aus dem restlichen Haufen auch. (…) Ich wusste überhaupt
nicht, wie ich
mit der ganzen Sache umgehen sollte und ich war
mit diesem
Geschehen maßlos überfordert. Das Einzige das ich tun
Seite 92 von 134/ 93
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
konnte, war
mich Tag für Tag immer wieder mal bei L. Vacca zu melden
um zu
sehen ob sich die Situation verändert hatte.“
b) Geschehen
zum Nachteil der Lucia Vacca
Sodann führt der Antragsteller aus,
er habe sich in den folgenden Tagen noch
mehrfach bei L. Vacca nach F. Appel
erkundigt, sie habe ihm jedoch versichert,
er befinde sich nach wie vor in der
Hütte und werde demnächst freikommen.
Der Antragsteller schilderte, er
habe sich nicht getraut, der L. Vacca
von seinen Beobachtungen zu
berichten, obgleich er stets die Hoffnung gehabt
habe, sie werde es erfahren und mit
ihm zur Polizei gehen.
„Irgendwann
sagte sie mir, sie würde ihre Freunde in der Bar treffen,
in der sie
arbeitete und dann erfahren wie es F. Appel gehen würde.
Sie bestellte
mich Nachts pünktlich 1.00 Uhr an den Parkplatz am alten
Krankenhaus, wo
sie mir dann vom Verbleib F. Appel´s erzählen
würde,
während ich sie heimfahren sollte. (…) Als sie am Parkplatz ins
Auto stieg,
sagte sie dass sie zuerst nochmal kurz wohin müsste, bevor
sie nach Hause
wolle, ohne jedoch genauer zu erklären wer, oder
was.
(…) Natürlich fragte ich nach F. Appel, denn er war schließlich
der Hauptgrund
meines Kommens, doch sie sagte nur sie habe ihre
Freunde getroffen
und sie haben ihr erzählt dass er inzwischen in einem
Krankenhaus
wäre, da er etwas Probleme mit dem Drogenentzug
hätte. Also
wusste L. Vacca offensichtlich immer noch nichts von F.
Appel´s
Tod. (…) Als wir in Buttenheim ankamen erfuhr ich, dass L.
Seite 93 von 134/ 94
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Vacca ihre
BMW-Freunde noch einmal treffen wollte. Ich fing an mich
mit ihr zu
streiten, da ich nichts mit diesen Typen zu tun haben wollte
und ich nicht
mal in deren Nähe kommen wollte, schon gar nicht in der
Abgeschiedenheit
in der wir uns befanden. (…)
L. Vacca maulte
mich an, es wären ihre besten Freunde auf die sie
sich absolut verlassen könnte, sie wären die Leute (…) denen sie ihr
ganzes Leben
und noch so vieles Andere zu verdanken hätte. Auf
meine Frage, ob
sie denn keine Sorgen um F. Appel hätte, da doch alles
sehr mysteriös
war, schrie sie mich an ich solle mich aus ihrer Sache
raus halten.
Dann einigten wir uns darauf dass ich sie bereits vorher
auf der
Landstraße aussteigen lasse, da sie bis zum BMW gehen
könne und sie
auch von ihren Freunden nach Hause gefahren werden
kann. So stieg
sie aus und ich fuhr verärgert über ihre Arroganz nach
Hause.“
Am nächsten Tag sei der
Antragsteller zum Haus der Familie Vacca gefahren,
um sich nach L. Vacca zu erkundigen
und habe von deren Mutter erfahren, L.
Vacca sei seit letzter Nacht
verschwunden. Der Antragsteller schildert, er sei
in böser Vorahnung erneut nach
Buttenheim zu der von L. Vacca geschilderten
Scheune gefahren und habe dort nach
kurzer Zeit die Leiche der L. Vacca
neben einer Hecke liegend gefunden.
„So
war ich jetzt noch viel tiefer in eine Sache mit zwei Leichen verschlungen,
mit der ich
doch im Grunde überhaupt nichts zu tun haben
Seite 94 von 134/ 95
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
wollte.
Außerdem war mit L. Vacca´s Tod meine einzige Hoffnung in
einer
Verhandlung über F. Appel´s Tod möglichst günstig davon zu
kommen,
zunichte gemacht. Denn L. Vacca hätte meine nebensächliche
Rolle in ihrem
Plan und ihre mir schließlich unbekannten Freunde
bestätigen
können. Auf keinen Fall wollte ich nun für deren beiden Tod
ins Gefängnis
gehen. Auch wusste ich nicht wie ich gegenüber der
Gesellschaft
dieses Geschehen erklären sollte. Über den Schrecken
nun auch L.
Vacca tot vorzufinden, nahm ich mir nicht die Zeit über
das was
geschehen ist nachzudenken. Bereits mit F. Appel´s Tod
wusste ich
nicht wie ich umgehen sollte. So versteckte ich die Leiche
L. Vacca´s und
warf alles in die Hecke was sonst noch auf dem Feld
herum
lag. (…) Bevor ich ging legte ich auch bei ihr, genau wie bei F.
Appel
ein Wäschestück über den Kopf.“ (…)
„Im Laufe dieses Tages rief mich
eine mir unbekannte Person zu Hause
an und forderte
mich zu einem Treffen auf, bei dem über L. Vacca
und F. Appel
gesprochen werden sollte. Damit im Falle einer polizeilichen
Vernehmung
keine Fehler unterlaufen, sollten im Voraus die
Aussagen
abgesprochen werden. Da ich an solch einem Treffen allerdings
kein Interesse
hatte und stattdessen zur Polizei gehen wollte,
fing der
Unbekannte an mir damit zu drohen, mich und meine Familie
umzubringen. Da
ich von sowas nichts hören wollte legte ich auf. (…)
Hier
im Gefängnis traf ich jemanden, der mir erzählte (…) dass ich in
jedem Fall
schon tot wäre, wenn ich noch draußen in Freiheit wäre.“
Seite 95 von 134/ 96
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
5. Der Aufsatz „Die verschwundene
Leiche“
Darüber hinaus folgt nun die bereits
angekündigte berichtigende Darstellung
des Antragstellers selbst, durch die
wörtliche Wiedergabe dessen veröffentlichten
Aufsatzes (einschließlich der
mitveröffentlichten Anmerkungen des Vaters
des Antragstellers, Rudolf Frey) mit
dem Titel „Die verschwundene Leiche“.
Diese berichtigende Darstellung war
dem Antragsteller nach eigenem
Bekunden nur aufgrund der
Akteneinsicht möglich, die ihm erst nach etwa 7
Jahren der Haft gewährt wurde. Der
Aufsatz verdeutlicht nicht nur, dass es
sich, den Darlegungen des
Antragstellers folgend, bei dem Beifahrer nach
Teuchatz nicht um F. Appel gehandelt
hat, sondern dass, dem Antragsteller
folgend, aufgrund der Ermittlungen
Hinweise auf die möglichen Täter unberücksichtigt
blieben:
„Die
verschwundene Leiche
Mit folgender
Erklärung zum Tatgeschehen kann ich verdeutlichen,
dass die
Kripo Bamberg mit der Staatsanwaltschaft einen weiteren
Mord, der im
Rahmen der Morde an F. Appel und L. Vacca verübt
wurde, geheim
hält und die Täter deckt.
Am Sonntag,
den 20. August 1995 traf ich mich mit L. Vacca vor dem
Wohnhaus
ihrer Eltern. Sie erzählte mir lange und ausführlich von der
Strafanzeige,
die sie gemeinsam mit ihrem Vater gegen F. Appel geSeite
96 von 134/ 97
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
stellt hätte.
Dazu von irgendwelchen Drogengeschichten – und in diesem
Zusammenhang
von ihren „guten, alten
Freunden“.
Die Beziehung
zwischen L. Vacca und F. Appel ging im Streit auseinander
und so
ergaben sich Konflikte, bei denen es sich um Geld und Drogen drehte.
Diese
„guten, alten Freunde“ sagten ihr dabei ihre Unterstützung zu – und so bat
mich L. Vacca
noch am späten Abend desselben Tages F. Appel abzuholen, um
ihn zu einem
Treffen mit diesen Freunden zu fahren. Also im Grunde keine große
Sache, zumal
ich ohnehin nichts weiter zu tun hatte.
Ein
unverwechselbares Datum
Das Datum,
dieser 20. August 1995, steht absolut und unabänderlich
fest! Sowohl
die Eltern L. Vacca´s als auch Mieter des Hauses konnten
diesen Tag,
als ich mit L. Vacca vor dem Haus auf einer Treppenstufe
saß, mit
absoluter Sicherheit und damals zeitnah bestätigen. Darüber
hinaus gab es
weitere, glaubwürdige Zeugen. Eine Verwechslung
dieses
Zeitpunktes ist vollkommen unmöglich.
Die Bierdose
Ich ging
lange Zeit davon aus, dass diese Person, die zu mir ins Auto
stieg,
tatsächlich F. Appel gewesen ist. Den habe ich vorher nie gesehen.
Es gab für
mich keinen Grund, etwas anderes anzunehmen. DerSeite
97 von 134/ 98
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
jenige, den
ich für F. Appel hielt, öffnete eine Bierdose. Als sie leer
war,
verbeulte er sie und warf sie in den Fußraum des PKW´s. Später
wollte ich
diese Dose immer wieder mal entsorgen, aber ich habe es
ständig
darauf vergessen. Im Rahmen der Spurensicherung gewinnt
diese Dose an
Bedeutung.
„Gute,
alte Freunde“
Wir
trafen diese „guten, alten Freunde“ wie vereinbart an. Sie saßen
zu fünft in
einem schwarzen BMW (vermutlich 5-er Baureihe). Einer
dieser
Freunde rief uns zu, wir sollten ihnen hinterher fahren und so
folgten wir
ihnen, ohne zu wissen, wo es eigentlich hingehen sollte.
Außerhalb von
Zeegendorf bog dieser BMW links in einen Feldweg ab
und hielt an.
Offensichtlich
kannte „Pseudo- Appel“ diese Leute gut. Als er bei mir
aus dem Auto
ausstieg, ging er direkt auf sie zu. Sie begrüßten sich
alle wie alte
Bekannte – und verschwanden in der Nacht.
Zeuge (Zwischenbemerkung)
Schon auf dem
Weg in Richtung Zeegendorf zeigte mein unbekannter
Beifahrer
keinerlei Bedenken, obwohl es doch ca. 15 km außerhalb
von Bamberg
lag. Diese Sorglosigkeit wundert mich heute nicht mehr.
In den
Ermittlungsakten liegt die Aussage eines Zeugen vor, der L.
Vacca auf dem
Foto in der Zeitung als gute Bekannte identifiziert hat.
Er gab am
29.08.1995 um 12.05 Uhr zu Protokoll an: Ich habe gestern
gg. 10.00 Uhr
eine Anhalterin von Bbg. nach BT gefahren. Sie wollte
Seite 98 von 134/ 99
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
weiter nach
Berlin. Ich habe gerade die Zeitung gelesen und habe das
Bild gesehen.
..."
Gewaltausbruch
Zunächst
blieb ich ratlos auf dem Feldweg bei den PKW´s zurück,
währenddessen
Pseudo-Appel gemeinsam mit diesen „guten, alten
Freunden“ in der
Dunkelheit verschwand.
Ich folgte
der Gruppe schließlich nach – und konnte nach einigen
Augenblicken
erkennen,
dass unter diesen Leuten eine Prügelei ausgebrochen
war.
„Wer mit wem/gegen wen“, war in der Dunkelheit der
Nacht nicht zu erkennen. Jedoch ging ich davon aus, dass es „F. Appel“
war,
auf den eingeprügelt wurde. Als ich mich ins Geschehen mit
einmischte,
ging ich selbst zu Boden und es brach zwischen diesen
“guten,
alten Freunden“ Streit aus. Irgendwer schubste
irgendwen
und es wurde
viel herumgeschrien. Offenbar war die Situation aus
dem Ruder
gelaufen.
Derjenige,
der am meisten herumgeschrien hat, tat sich aus für mich
unbegreiflichen
Gründen irgendwie als Wortführer hervor. Er wies einen
aus der
Gruppe an mit mir zu F. Appel´s Wohnung zu fahren (es
ging um irgendwelche
Drogen). Natürlich ist mir heute schleierhaft,
warum man
sich von einem unbekannten Vollidioten herumkommandieren
lässt - nur
weil er am lautesten herummotzen kann. Die ganze
Seite 99 von 134/ 100
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Situation war
eben außer Kontrolle geraten und er war dem Schein
nach der
Einzige, der noch sagen konnte, wo es langgehen sollte.
Der Typ G. S.
Bei diesem
Typen, der dann auf dem Weg zu Appels Wohnung bei mir
im Auto saß,
handelte es sich um G. S. Ich kannte zum damaligen
Zeitpunkt
seinen Namen noch nicht. Bei der Vernehmung durch die
Kripo habe
ich ihn jedoch mehrmals genau beschrieben und ich konnte
auch sagen,
wo ich ihn vorher schon gesehen habe. Obwohl die
Kripo-Beamten
sehr genau wussten, von wem ich sprach, bestritten
sie mir
gegenüber seine Existenz und beschimpften mich als Lügner.
Der
Schlüsselbund
Auf dem Weg
zu F. Appels Wohnung sprachen wir beide kein Wort.
Zurück in der
Bamberger Innenstadt stieg G. S. aus dem Auto aus und
erklärte,
später nachkommen zu wollen. Tatsächlich setzte er sich
aber ab. Ihm
war der Vorfall offenbar zu heiß. Er übergab mir den
Schlüssel zu
F. Appels Wohnung. Aus Versehen übergab er mir dabei
aber auch
seinen eigenen Schlüsselbund. An diesem Schlüsselbund
hing u.a. ein
Haustürschlüssel, ein Autoschlüssel und ein Motorrad-
Schlüssel.
Später lag dieser Schlüsselbund bei mir zu Hause herum.
Wenn nicht
später die Kripo-Beamten mehrmals von sich aus danach
gefragt
hätten, hätte ich diese Schlüssel völlig vergessen. Ich habe
meine Eltern
gleich beim ihrem ersten Besuch bei mir im Gefängnis
gebeten,
diesen Schlüsselbund bei der Polizei als eindeutig entlasten
Seite 100 von 134/ 101
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
de Beweisspur
hin zu den Tätern abzugeben – was sie dann auch getan
haben.
(Anmerkung:
Den Schlüsselbund habe ich sofort am nächsten Tag in
der
Polizeidirektion einem bestimmten Beamten übergeben, in meiner
Dummheit und
dem Glauben an Korrektheit in einem Rechtsstaat keine
Quittung
dafür bekommen und auch keine verlangt. Der Bund
ist nicht in
ein Sicherstellungs-/ Spurenverzeichnis aufgenommen,
nicht vom
LOStA als Fundstück nach allgemein bekannten Regeln behandelt
worden.
Folgerichtig; denn der Schlüsselbund ist nämlich sofort
spurlos
„verschwunden“. Ich konnte beobachten, dass der mir bekannte
Eigentümer/Be-sitzer
dieser Schlüssel sich danach sofort wieder
in gewohnter
Weise verhielt. Das alles wurde mir aber erst später
bewusst.
Trotz allem verfüge ich über ein Schriftstück, das den Vorgang
„belastbar“
beweist. Mit Erläuterungen dazu ist es zuverlässig hinterlegt.
(Rudolf Frey – Vater des Antragstellers)
Der
Leichenfund
Nachdem ich
fremdbestimmt und völlig sinnlos in F. Appels Wohnung
herumgesessen
und erfolglos versucht habe, verschiedene Freunde
telefonisch
zu erreichen, bin ich wieder zurück zum Ort des Geschehens
gefahren.
Schließlich fand ich am Tatort eine Leiche.
Seite 101 von 134/ 102
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Viele Jahre
lang ging ich davon aus, dass es sich bei diesem Toten
um F. Appel
gehandelt hätte. Es kam mir noch nicht einmal ansatzweise
in den Sinn,
dass es sich dabei um eine andere Person gehandelt
haben könnte:
Tatsächlich kann es sich bei dieser Leiche
aber nicht
um F. Appel gehandelt haben!
Das Opfer
wies keinerlei für mich sichtbare Verletzungen auf, die größeren
Blutverlust
verursacht hätte. Die Spurensicherung der Kripo hat
umfangreich,
der Landgerichtsarzt mit chemischen Mitteln nach Blutspuren
gesucht,
jedoch nichts finden können.
Hingegen war
F. Appel´s Leiche regelrecht zerhackt. Auch Appel´s
Blut wurde
nicht gefunden, daher sprach die Spurensicherung im Fall.
„F.
Appel“ auch immer vom „Auffindeort der Leiche“.
Für mich
stand immer fest, dass es F. Appel war, der dort von diesen
„guten,
alten Freunden“ Prügel bezogen hat - und nachdem ich eine
Leiche
gefunden habe, schloss ich daraus, dass F. Appel während ich
zu seiner Wohnung
fuhr, an seinen Verletzungen starb. Tatsächlich
könnte
auch jemand aus der Gruppe der „guten, alten Freunde“ verprügelt
worden sein.
Seite 102 von 134/ 103
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
In der
Finsternis der Nacht konnte ich keine Personen unterscheiden.
Ich weiß noch
nicht einmal, wer derjenige war den, ich im Auto dorthin
gefahren
habe. Ich habe ihn nie kennengelernt.
Tatzeitpunkt
des dritten Mordes
Am Zeitpunkt
des Geschehens gibt es keinerlei Zweifel. Eine Vielzahl
von absolut
zuverlässigen Zeugen, sowie kriminologischen Fakten bestätigen
unabänderlich
den 20. August 1995 als Tatzeitpunkt. Auch das Gericht hat
diesen Termin
im schriftlichen Urteil bestätigt.
Laut
Ermittlungsakten (Bl. 621) stellt die Staatsanwaltschaft jedoch
fest, dass F.
Appel am 23. August 1995 noch lebend gesehen wurde.
Auch der
Obduktionsbefund der Gerichtsmedizin spricht
im Fall “F.
Appel“
von einem Todeszeitpunkt, der wesentlich nach dem 20. August
liegt. F.
Appels Leiche wurde erst am 26. August 1995 gefunden.
So stellen
sich also zwangsläufig die Fragen
- wer war
dieses unbekannte Opfer?
- wo ist die
Leiche geblieben und
- wann hat
man die Leiche gegen F. Appel´s Leiche ausgetauscht?
Die Kripo
Bamberg und der LOStA Müller-Daams
Obwohl sich
gegen mich - Matthias Frey - aus den Ermittlungsakten
nicht der
allergeringste Anfangsverdacht ergibt, wurde ich (angeblich
Seite 103 von 134/ 104
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
als Zeuge!)
durch eine bewaffnete Kripo-Bande in meiner Wohnung
überfallen
und verschleppt.
Man hat ohne
richterlichen Beschluss bei mir und bei meinen Eltern
Hausdurchsuchungen
durchgeführt und den PKW meines Vaters beschlagnahmt.
Es hätte
andere Zeugen – und Verdächtige! – gegeben,
bei den
solche Maßnahmen vielleicht noch verständlich gewesen wären.
Aber mit
welchem Argument konnte die Kripo rechtfertigen, ausgerechnet
mich unter
derartigen Voraussetzungen festzunehmen?
(Anmerkung:
Für die
Hausdurchsuchung hat man sich schon in aller Frühe bei der
Gemeinde die
Grundrisspläne besorgt, gegen 13.30 h das Haus umstellt.
War damit
keine Gelegenheit, sich innerhalb (längstens!) einer
Stunde
einen Durchsuchungsbefehl ausstellen zu lassen? Da „recht“-
fertigt man dann mit „Gefahr in Verzug“! Welche Gefahr? Hätte man
den
Durchsuchungsantrag dem Richter schlüssig begründen können,
ihm
offenbaren, dass mein einen Schlüsselbund zurückhaben muss?
Warum hat man
nicht angegeben, wonach überhaupt gesucht wird!
Warum ist
kein Zeuge zugezogen worden? Warum hat man kein Protokoll
gefertigt?
Warum hat man ca. zehn (in Worten: Zehn!) Polizeibeamte
für eine (so
hinterher durch die Staatsanwaltschaft angegeben!)
Zeugenvorladung
gebraucht?
Rudolf Frey)
Seite 104 von 134/ 105
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
V-Mann
Die
verantwortlichen Beamten der Kripo Bamberg (N.N.) sowie der
Leitende
Oberstaatsanwalt Müller-Daams waren durch ihren V-Mann
bestens
informiert (deshalb wurde auch dem eigentlich zuständigen
Staatsanwalt
nach dem Bericht an das Ministerium!) sofort die Sachbearbeitung
entzogen) und
so wusste man von meiner Anwesenheit
beim
vertuschten Mordfall am 20. August 1995 bei Teuchatz.
G. S. war ja
sogar selbst Polizist. Als er in der Tatnacht des 20. August
1995 auf dem
Weg zu Appel´s Wohnung, in der Bamberger Innenstadt
bei mir aus
dem Auto ausstieg, lag das Polizeirevier schon
beinahe auf
geringe Sichtweite entfernt. Dass er aus Versehen seinen
eigenen
Schlüsselbund gemeinsam mit F. Appel´s Wohnungsschlüssel
an mich
übergab, konnte die Kripo nur von G. S. persönlich erfahren
haben. Zum
einen wollte G. S. natürlich seine für ihn vermutlich
im Auto
verlorenen Schlüssel wieder zurück haben. Zum anderen ist
ein solcher
Beweisgegenstand eine Bombe. Deshalb hat die Kripo ohne
jegliche
Rechtsgrundlage zu meiner Verhaftung auch gleich den
PKW
beschlagnahmt und durchsucht. Es ging dabei nicht um ehrlich
gemeinte
Ermittlungen und Spurensuche! Zur Verschleierung des tatsächlichen
Tatgeschehens
war es dringend geboten, sämtliche Spuren
zu verwischen
und Beweisgegenstände verschwinden zu lassen.
(Anmerkungen:
Schließlich wurde kein einziges Spurenmaterial ausgewertet,
nicht die
Bierdose, Fingerprints, Faserspuren, DNA-Material,
…….
Die Jacke des Appel usw! R. Frey)
Seite 105 von 134/ 106
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Spurensicherung
Mit einer
vollkommen normalen Spurensicherung hätte man im PKW
auf dem
Beifahrersitz die DNA von F. Appel und G. S. finden müssen.
Obwohl in den
die Ermittlungsakten eine gründliche Untersuchung der
Spurensicherung
suggeriert ist wurde keine DNA sichergestellt und
untersucht.
Auch die verbeulte Bierdose wurde nicht einmal im Sicherstellungs-/
Spurenverzeichnis
aufgeführt. Wenn sogar diese Bierdose
verschwinden
musste, um einen DNA-Nachweis zu verhindern, dann
stellt sich
mir die Frage nicht mehr ob es denn überhaupt F. Appel
war, der zu mir ins Auto eingestiegen ist!
Meine
Glaubwürdigkeit
Das deutsche
Volk ist von seiner Justiz meist dermaßen überzeugt,
dass man
einem unschuldig Verurteilten schnell unterstellt, er würde
durch
erlogene Ungereimtheiten lediglich den Kopf aus der Schlinge
ziehen
wollen.
Ich sitze
bereits seit 1995 im Gefängnis und kann also die Jahre meiner
Haft bereits
in Jahrzehnten angeben.
Da
ich auf meiner Unschuld bestehe, werde ich als „nicht geständig“,
„schulduneinsichtig“,
„nicht strafeinsichtig“ bezeichnet. Man macht
mir auch zum
Vorwurf, dass ich mich nicht am Therapie-Zirkus beteili
Seite 106 von 134/ 107
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
ge. Dort
erwartet man nämlich schuld-bewusst weinende Straftäter.
Damit kann
ich aber nicht dienen.
Mithäftlinge,
die zum Teil erst mehrere Jahre nach meiner Verurteilung,
genauso wie
ich als Mörder zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt
wurden,
wurden inzwischen schon wieder als „resozialisiert“ und
therapiert“
aus der Haft entlassen – oder sie stehen kurz davor. Mir
hingegen
gewährt die JVA noch nicht einmal die geringsten Haftlockerungen.
Stattdessen
wurde mir von der Strafvollstreckungskammer
Bayreuth die
Mindestverbüßungsdauer meiner Strafe ohne sachgerechte
Überprüfung
meines Falles auf zunächst mindestens 27 1/2
Jahre
verlängert. Wenn ich nach Ablauf von fast drei Jahrzehnten
noch immer
nicht den reuigen Sünder spiele, werde ich bis an mein
Lebensende im
Gefängnis sitzen. Kann man mir also unterstellen, ich
will mir mit
Lügenmärchen den Kopf aus der Schlinge ziehen?
Wohl kaum!
Matthias“ (Zitat Ende)
6.
Erheblichkeit des Falschgeständnisses für die Urteilsfindung
Den Gründen zufolge beruhte das
Urteil im Wesentlichen auf dem „Geständnis“
des Matthias Frey. Das Gericht kam „aufgrund
der eigenen Einlassung
des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, (…)“ zu der Überzeugung,
dass sich Herr Frey der angeklagten
Taten schuldig gemacht hat. Zudem
führt die Kammer auf, sie „ist aufgrund der durchgeführten Beweisauf-
Seite 107 von 134/ 108
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
nahme davon
überzeugt, dass die beiden Taten weitgehend so geschehen
sind, wie sie
vom Angeklagten in der polizeilichen Vernehmung vom 1. September
1995
beschrieben und in der Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter
am 4. September
1995 überwiegend bestätigt worden sind. Diese Aussagen
wiederum sind
im Zusammenhang zu sehen mit dem polizeilichen und ermittlungsrichterlichen
Aussagen vom
29. und 30. August 1995.“ (UA, S. 29)
Die Aussagen des Verurteilten zum
Tötungsdelikt im Fall F. Appel wurden
überwiegend aus den Ermittlungsakten
entnommen. In seiner Einlassung zur
Klageschrift hat M. Frey, auf
dringendes Anraten seines damaligen Verteidigers,
auf die Akten verwiesen und auf
Vorhalt immer wieder erklärt „wenn es
so in
den Akten steht, wird es schon stimmen“. Zum Fall L.
Vacca gab der Antragsteller
wiederholt die Erklärung ab, er
könne dazu nichts sagen, er habe
die Erinnerung daran verdrängt. Als
Erkenntnisquelle für das Gericht konnte
somit nur das bei der Polizei
abgegebene Falschgeständnis dienen.
Unabhängig von den bereits geschilderten
Beweggründen, die ursächlich für
das Falschgeständnis des
Antragstellers waren, ist noch auf einen anderen
wesentlichen emotionalen Aspekt
hinzuweisen. Der Antragsteller hat sowohl
dem Unterfertigten gegenüber, als
auch in zahlreichen Briefen (siehe Vollstreckungsheft
IV und V) betont, er fühle sich schuldig.
Diese Schuld bezieht sich jedoch
nicht auf die ihm angelasteten Taten, die er
nicht begangen haben kann. Vielmehr
empfindet der Antragsteller eine Mitschuld
an den Geschehnissen, da er aus
seiner Sicht durch sein Verhalten
Seite 108 von 134/ 109
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
meint dazu beigetragen zu haben,
ohne es freilich zu wollen, dass die Taten
für die tatsächlichen Täter
überhaupt möglich wurden. Im Fall F. Appel liegt
die Erklärung für die empfundene
Mitschuld auf der Hand: der Antragsteller
wirft sich bis heute vor, auf den
Vorschlag der L. Vacca eingegangen zu sein
und sich mit dem vermeintlichen F.
Appel verabredet zu haben. Dies erklärt
auch, warum der Antragsteller, als
er bei seiner Rückkehr nach Teuchatz die
Leiche fand, diese spontan
versuchte, zu verstecken. Er hatte Furcht davor,
als Tatbeteiligter mit für die
Tötung verantwortlich gemacht zu werden.
Noch schwerer wiegen jedoch seit
Jahren die Vorwürfe, die sich der Antragsteller
hinsichtlich der Tötung der L. Vacca
macht. Er ist überzeugt, er hätte
die Tat verhindern können, wenn er
sich rechtzeitig getraut hätte, L. Vacca
von den Vorgängen in Teuchatz zu
berichten und mit ihr zur Polizei zu gehen.
In diesen Vorwürfen erschöpft sich
jedoch gleichzeitig die vermeintliche
Schuld des Antragstellers.
7. Bewertung
der Vernehmungen und der Einlassungen in der Hauptverhandlung
Der Antragsteller erhielt sein
Falschgeständnis bei der Polizei vor allem in
Hinblick auf die Aussage seines
damaligen Verteidigers aufrecht, er werde
aufgrund eines Geständnisses einen
„Bonus“ und damit eine mildere Freiheitsstrafe
erhalten. Diese Möglichkeit brachten
auch die Polizeibeamten Groß
Seite 109 von 134/ 110
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
und Dippolt zur Sprache (s.o.).
Darüberhinaus hat der Antragssteller aufgrund
der Aussage seines Verteidigers
darauf vertraut, dass entsprechend der Beiziehung
eines Gutachters Indikatoren für
eine Anwendung des § 21 StGB vorliegen
würden. Zudem ließ er sich, nach
seinem glaubhaften Bekunden, von
der Aussage seines damaligen
Verteidigers unmittelbar vor Verhandlungsbeginn
beeinflussen: „Herr Frey, lassen sie endlich diese ominösen Dritten, sonst
kann
ich nichts mehr für sie tun.“
Die Zugehörigkeit der Opfer zur
Drogenszene sprach der Antragssteller deswegen
in der Hauptverhandlung nicht an, da
ihm die erbetene Rücksicht auf
das Andenken der Opfer und das Leid
der Angehörigen bei der Urteilsfindung
zu Gute kommen würde.
8.
Wiederaufnahmerechtliche Würdigung
Der Wegfall von Beweismitteln ist
eine Tatsache im Sinne des § 359 Nr. 5
StPO (Gössel LR Rn 65; Schlüchter
Rn 770.1). Dies gilt insbesondere auch für
den Widerruf eines Geständnisses des
Verurteilten (OLG Stuttgart NJW
1999, 375; OLG Hamm NStZ 1981, 55;
OLG München NJW 1981, 593; OLG
Köln StV 1989, 98; vgl auch Eschelbach
JA 1999, 701).
Den erhöhten Anforderungen an die
Darstellung eines Geständniswiderrufs im
Wiederaufnahmeverfahren wurde im
vorangegangenen Kapitel vollauf genügt.
Es wurde dargelegt, wie es zu dem
Falschgeständnis kam und wie sich der
tatsächliche Sachverhalt aus Sicht
des Antragstellers tatsächlich dargestellt
Seite 110 von 134/ 111
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
hat. Im Übrigen ist umfangreich
dargetan, warum der vom Gericht aufgrund es
Falschgeständnisses angenommene
Sachverhalt aufgrund der Ermittlungsakte
schlicht unmöglich zutreffend sein
kann.
Die Verantwortlichkeit des
Antragstellers für die ihm zur Last gelegten Taten,
ließ sich objektiv zu keinem
Zeitpunkt nachweisen und wurde nur angenommen,
weil sich das Tatgericht in der
Beweiswürdigung nicht mit den entlastenden
Tatsachen und Indizien der
Ermittlungsakten auseinandergesetzt hat.
Bei Berücksichtigung des
Geständniswiderrufs ist deshalb davon auszugehen,
dass eine erneute Verurteilung auf
Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse
schlechterdings ausgeschlossen wäre.
III. Weitere
neue Tatsachen, § 359 Nr. 5 StPO
1.
Wiederaufnahmegrund
Es wird auch in
diesem Zusammenhang der Wiederaufnahmegrund des
§ 359 Nr. 5
StPO geltend gemacht.
Neben den zuvor bereits ausgeführten
Tatsachen, die das unmittelbare Tatgeschehen
betrafen, waren im Rahmen des
Ermittlungsverfahrens auch zahlreiche
Erkenntnisse gewonnen worden, die zu
einer anderen Beurteilung des
Falles hätten führen müssen. Die
Ursache für die fehlende Berücksichtigung
Seite 111 von 134/ 112
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
der vorgebrachten Tatsachen dürfte
auch in diesem Fall vielfältig sein. …
Die Unstimmigkeiten, die sich
aufgrund der Zeugenaussagen ergeben hatten,
hätten den Ermittlungsbehörden
jedoch schon zur damaligen Zeit Anlass für
weitergehende Untersuchungen der
Taten geben müssen und sind, da auch
sie keine Berücksichtigung im Urteil
fanden, als neue Tatsachen von entscheidender
Bedeutung.
Auch die folgenden Ausführungen
verdeutlichen, dass bei entsprechender
Würdigung der angeführten Tatsachen
eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung
angezeigt gewesen wäre. Eine
Verurteilung hätte auch vor diesem
Hintergrund nicht erfolgen können,
weshalb sich die fehlende Berücksichtigung
der angeführten Tatsachen zu Lasten
des Antragstellers auswirkte.
2. Der Fall F.
Appel
a) Eklatant
einseitige und unzureichende Ermittlungen
Wie bereits in anderen
Zusammenhängen ausgeführt, ist den Akten deutlich
zu entnehmen, dass es im Rahmen der
Ermittlungen zahlreiche Hinweise auf
andere Beteiligte am Tatort gab,
denen jedoch nicht nachgegangen wurde.
Was die Beweggründe der
Ermittlungsbehörden für ihr einseitiges und nachSeite
112 von 134/ 113
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
lässiges Vorgehen gewesen sein
mögen, entzieht sich der Kenntnis des Ver-
fassers. Die Einseitigkeit der
Ermittlungen ist jedoch insbesondere im Hinblick
auf die Unterlassung des Nachgehens hinsichtlich
aller aktenkundigen Hinweise,
die eine Verbindung der Taten zur
Drogenszene und zu den Motorradgangs
Bat´s und Arrows (die möglicherweise
an Drogengeschäften beteiligt waren)
nahelegen, eklatant.
Der Antragsteller gab zuletzt in
seinem Schreiben an VorsRiLG Dengler und in
seinem Aufsatz „Die verschwundene
Leiche“ an, einer der Unbekannten Tatbetei-
ligten sei nach der gewalttätigen
Auseinandersetzung mit ihm zur Wohnung
des F. Appel gefahren, sei
allerdings kurz zuvor ausgestiegen und habe
ihm lediglich den Schlüssel des F.
Appel übergeben, wobei er versehentlich
auch seinen eigenen Schlüssel
überreicht habe. Diesen Schlüsselbund übergab
später der Vater des Antragstellers
der Kriminalpolizei (siehe Anmerkung
Rudolf Frey zu besagtem Aufsatz). Ein
Protokoll über Vernehmungen zu diesem
Schlüsselbund findet sich jedoch
nicht in den Akten. Auch sonst ergibt
sich aus der Ermittlungsakte
keinerlei Hinweis auf den Eigentümer des
Schlüsselbundes. Die Tatsache, dass
die Kriminalpolizei offenkundig keine
Hinweise auf den Inhaber des
Schlüsselbundes aktenkundig machte, beförderte
naturgemäß die Vermutung des
Antragsstellers, dass es sich bei dem
Unbekannten in der Tat um einen
V-Mann der Polizei gehandelt haben könnte,
der mit dem Drogendezernat zusammen
arbeitete. Dies würde dann auch
erklären können, warum die
Polizeibeamten in der ersten Vernehmung des
Antragstellers anklingen ließen,
Informationen zum Tatablauf zu haben.
Seite 113 von 134/ 114
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Die Äußerungen des KOK Groß während
der Vernehmung deuten jedenfalls
darauf hin, dass er bereits
Informationen hatte und auch, dass er von mehreren
Beteiligten ausging:
„Sie
waren dabei .... Es waren noch viel mehr dabei gewesen.
... Sie
können uns da
auch nichts vormachen." (BI. 361)
Darüber hinaus wurde im Verlauf der
kriminalpolizeilichen Ermittlungen am
30.08.1995 in einem Müllcontainer am
Sylvanersee in Gaustadt ein Geldbeutel
aufgefunden, der eindeutig dem Frank
Appel zugeordnet wurde. Dies wirft
die Frage auf, wem der (weitere)
schwarze Geldbeutel gehörte, der beim Auffinden
der Leiche des F. Appel (Bl. 18 d.
A.) unter anderem aufgefunden worden
war. Bis heute ist völlig ungeklärt,
wem dieser Geldbeutel gehörte. Es
wurde im Übrigen weder eine genaue
Beschreibung des Geldbeutels noch eine
Auflistung des darin befindlichen
Inhalts vorgenommen. Auch wurden weder
die vernommen Zeugen, noch M. Frey
über den Geldbeutel befragt. Eine
Herausgabe dieser Geldbörse an
Familie Frey oder Familie Appel-Ferchichi ist
den Akten ebenfalls nicht zu
entnehmen. Es ist also davon auszugehen, dass
der Geldbeutel einer weiteren
unbekannten Person gehörte.
Darüber hinaus erfolgte laut
Ermittlungsakten auch keine Untersuchung des
Computers, der in F. Appels Wohnung
gefunden worden war. Bei einem Kapitalverbrechen
des hiesigen Ausmaßes wäre eine
möglichst umfangreiche Aufklärung
des Sachverhalts zwingend geboten
gewesen. Ein Geständnis entbinSeite
114 von 134/ 115
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
det die zuständigen Behörden
keineswegs von ihrer Pflicht zu sich aufdrängender
Beweiserhebung (Meyer-Goßner, Einl.
Rd. 119 e).
b) Aussage des
Zeugen D. D. (Bl. 278 ff d. A.)
Von besonderer Brisanz ist darüber
hinaus die Aussage des Hauptbelastungs-
Zeugen D. D. Den Angaben des Zeugen
Diegel kommt besondere Bedeutung zu,
da das Gericht ihn als
Hauptbelastungszeugen für glaubwürdig befand, obwohl seine Aussage in
vielfacher Hinsicht in Zweifel zu ziehen war.
Gemeinsam mit dem Zeugen V.,
erschien D. D. am Abend des 29.08.1995 gegen
23:00 Uhr bei der Polizeiinspektion
Bamberg. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Kriminalpolizei den Antragsteller
vorläufig festgenommen.
Es ist kaum nachvollziehbar, warum
gegen den Zeugen D.l zu keinem
Zeitpunkt ermittelt wurde, da er zu
beiden Opfern in einem Verhältnis stand,
aufgrund dessen er als Verdächtiger
einer Beziehungstat durchaus in Betracht
gekommen wäre. D. schilderte sein
Verhältnis zu den beiden Opfern folgendermaßen:
"Frank
Appel kenne ich seit etwa 1989. Früher waren wir sehr gute Freunde. Seit etwa
1991 haben wir uns zerstritten. Meine damalige Freundin, A.G., zog damals zum
Appel nach Hallstadt. Ich habe dann die Andrea fast täglich mit unserem
gemeinsamen Kind in der Wohnung Appel in Hallstadt
besucht, damit
die Andrea ihr Kind sehen konnte. Ich konnte dann A.überreden,
daß sie wieder
zu mir nach Hirschaid zieht. Später ist dann unsere Beziehung
Seite 115 von 134/ 116
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
in die Brüche
gegangen und sie hat den Diller aus Dörfleins geheiratet.
Es war so, daß
ich mit dem Frank Appel einfach keinen Kontakt mehr
hatte. Wenn ich
ihn sah, habe ich schon kurz mit ihm geredet. Etwa
1990 lernte ich
die Lucia Vacca im "Jailhousen kennen. Da war sie mit einer
Freundin. Ich
habe sie dann angesprochen, ob sie mit zum Frank Appel in
die Wohnung
geht. Das hat sie gemacht. Bei dieser Gelegenheit lernte sie
dann den Frank
Appel kennen und liebte ihn wohl auch. Er hat sie auch geliebt.
Ich habe mich
mit der Lucia gut verstanden. Wenn wir uns getroffen haben,
konnten wir uns
gut unterhalten. Das hat dem Frank überhaupt nicht gefallen.
Er war sehr
eifersüchtig. Immer wenn er erfahren hatte, daß ich mich mit
der Lucia
unterhalten hatte, bekam die Lucia Streß mit ihm. Es war so, daß
er
sie auch öfters geschlagen hat. Das hat mir jedenfalls die Lucia erzählt.“
Im Folgenden zeigt sich, dass die
Aussage des Zeugen D. bereits in sich wider-
sprüchlich war:
D. äußert nämlich zunächst:
,,Sie erzählte,
daß der Typ und noch andere den Frank in ein Auto
nach Hof
verbracht hätten. Dort hätten sie ihn in einer Hütte einge-
Seite 116 von 134/ 117
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
sperrt. ... Wir
haben dann nicht mehr über den Frank geredet." (BI.
280 Abs. 4).
und:
„Die
Lucia hat mir erzählt, daß der Frank mit dem Fahrrad nach
Gaustadt
gefahren war. Das war an dem Tag, wo die Typen ihn mit
dem Auto
weggebracht hatten." (BI. 284 Abs. 2)
Schließlich gab D. an:
„Zusammenfassend
möchte ich nochmals sagen, daß die Lucia mir tatsächlich
erzählt hat,
daß sie einen Typen gefunden habe, der dem Frank einen Denkzettel verpassen
würde. Ich habe dies aber zunächst nicht besonders ernst genommen.
Erst als ich
erfahren habe, daß der Frank tot ist, ist mir bewusst geworden, daß ihre
Aussage echt war. Ich weiß nicht genau, ob der Typ, mit dem sie bei mir im
Kranken-
haus war, auch
derjenige ist, der die Sache für sie gemacht hat. Ich glaube aber,
daß es so
ist." (BI. 283 Abs. 2)
Innerhalb der Aussage D.s gibt er
an, von einem einzelnen möglichen Täter
Kenntnis zu haben, bezieht sich
jedoch mehrfach auf eine Gruppe von Tätern.
Schließlich wird die Aussage des
Zeugen D. gänzlich unglaubwürdig, als er sich
selbst versucht, ein falsches Alibi
zu verschaffen. D.l gab zunächst
an, er sei vom 25.08. bis 28.08.95
mit dem Zeugen V. bei einem Konzert
Seite 117 von 134/ 118
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
der Rolling Stones in Luxemburg
gewesen. Im Laufe seiner Aussage gestand
er ein, dass es sich dabei um eine
falsche Angabe gehandelt hatte, da er sich
während der ganzen Zeit in Bamberg
aufgehalten habe. Auch der Zeuge V.
(Bl. 290 d. A.) bestätigte, dass das
falsche Alibi abgesprochen gewesen sei.
Wie vor diesem Hintergrund den
Aussagen des Zeugen D. noch Glauben ge-
schenkt werden konnte ist höchst
fragwürdig.
Ein Zeuge mit
Tatmotiv, der widersprüchliche Angaben macht, Täterwissen
offenbart und – ohne „Not“ – zunächst ein falsches Alibi ins Spiel bringt , ein
solcher Zeuge muss
zum Gegenstand weiterer polizeilicher Ermittlungen in
einer laufenden
Kapitalstrafsache werden. Er wurde es aber nicht.
c) Unstimmigkeiten
aufgrund von Zeugenaussagen
Das Gericht hat darüber hinaus auch
vollständig außer Acht gelassen, dass im
Zusammenhang mit verschiedenen
Zeugenaussagen erhebliche Zweifel an
dem angeklagten Tatablauf hätten
aufkommen müssen.
Der Zeuge L. (Nachbar des F. Appel)
hatte angegeben, kurz vor dem Verschwinden
des F. Appel häufig einen
dunkelroten PKW VW Passat vor dem Anwesen gesehen
zu haben. Der Passat habe ein
Wuppertaler Kennzeichen gehabt. (Bl. 103 d. A.)
Seite 118 von 134/ 119
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Dem Zeugen Sachs (ebenfalls Nachbar
des F. Appel) folgend, stand dieser
PKW schon mindestens drei Tage vor
dem besagten Freitag auf dem Parkplatz
vor dem Haus. (Bl. 97 d. A.)
Einen solchen PKW besaß H. M., ein
Freund des F. Appel. Es wurde aber nur Frau
M als Zeugin (telefonisch) befragt.
Sie gab an, der PKW ihres Mannes sei bei F. Appel stehen geblieben, weil sie
ihren Mann immer abgeholt habe, nachdem er getrunken
habe. (Bl. 106 d. A.)
Der Zeuge S. beschrieb M.
folgendermaßen: (Bl. 96 d. A.) „ca. 170 cm, normale Figur, glatte, kurze,
dunkle Haare, helles Hemd.“
Es fällt auf, dass diese
Beschreibung auch auf die Person zutrifft, die in der vermeint-lichen Tatnacht
aus F. Appels Wohnung kam. Der rote PKW wurde letztmals in der Nacht 19./
20.08.95 vor dem Anwesen gesehen. (Bl. 97 d. A.)
Darüber hinaus ist in diesem
Zusammenhang der Kontakt des Herrn M. zur Motorrad-gruppe „A“ (Bl. 107 d. A.)
von erheblicher Bedeutung:
Frau M.r stritt damals jeglichen Kontakt
ihres Mannes zu der Motorradgang ab. Als G. M. jedoch infolge seines
Drogenkonsums starb (20.11.2006), wurde in der Zeitung „Fränkischer Tag“ ein
Nachruf auf ihn veröffentlicht, der vom A. MC stammte.
Der Kontakt zu den A. muss der Soko
Frank wohl auch bekannt gewesen sein, da die Soko damals Ermittler der zivilen
Fahndungsgruppe extra für Ermittlungen hinzugezogen hatte. Dennoch fanden
offiziell keine Ermittlungen Richtung
Seite119 von 134/ 120
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
von Motorradgangs statt, obwohl der
Antragsteller in seiner anfänglichen
Vernehmung mehrmals Hinweise auf
einen „N.N.“ – ein Mitglied der anderen Motorradgang – gegeben hatte. In seiner
Aussage vom 16.03.1999 erklärte
der Antragsteller, hinter dem BMW
habe ein älterer VW Passat gestanden,
dessen Fahrer dann zu den anderen
Beteiligten in den BMW gestiegen sei.
Hierbei könnte es sich um M.
gehandelt haben.
Darüber hinaus wurde das Protokoll
über die Vernehmung von S. K. dem Gericht
gänzlich vorenthalten und befindet
sich nicht in den Akten. Frau. K. war die Schwe-
ster der A. D. die Mutter eines
Kindes von D. D.. Auf der Fahrt zur Dienststelle nach
der (faktischen) Festnahme des
Antragstellers, fuhren die Polizeibeamten an verschie-denen Adressen vorbei, in
denen Bekannte von L. Vacca wohnten, obgleich die Adressen
nicht auf dem Weg zur Dienststelle
lagen (Vermerk Schlussbericht der Polizei, Bl. 653 d. A.). Bei der Adresse von
Fr. Kilic stiegen zwei der Beamten aus, um Fr. Kilic zu ver-nehmen. Ein
Protokoll zu dieser Vernehmung wurde jedoch nie in die Akten aufgenom-
men. Frau K. ist inzwischen
ebenfalls infolge ihres Drogenkonsums verstorben. L. Vaccas Kontakte zur
Drogenszene hätten durch die Aussage der S. Kilic möglicherweise beleuchtet
werden können.
Nicht zuletzt hatte der
Antragsteller während seiner Vernehmungen mehrfach
vergeblich auf die Kontakte beider
Opfer zur Drogenszene hingewiesen. (Bl.
16, 56 und 221 d. A.).
Seite 120 von 134/ 121
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Die Soko „Frank“ bestand nach
hiesiger Kenntnis überwiegend aus Beamten
aus dem Drogendezernat. Dennoch
wurden in der Vernehmung des Antragsstellers
jegliche Hinweise auf die
Drogenszene vehement abgelehnt. (vgl. etwa
Bl. 356, 357 und 375 d. A.) Umso
auffälliger ist es, dass ausgerechnet die
Aussage einer Zeugin aus diesem
Umfeld nicht in den Akten zu finden ist.
d) Das
Psychologische Gutachten
Auch das psychologische Gutachten
des Prof. Dr. M. Rösler hätte bei erforder-
liCher Würdigung durch das Gericht
keineswegs genügen dürfen, um die
Schuldfähigkeit des Antragstellers
zweifelsfrei anzunehmen.
Der Antragsteller wurde zunächst
nach dem ersten Gespräch mit Prof. Dr. M.
Rösler als psychiatrisch unauffällig
eingestuft.
Prof. Dr. Rösler kam hier zu dem
folgenden Befund:
„…
Grundstimmung wirkt über weite Strecken eher ausgeglichen und
kühl.
(…) Er wirkt bisweilen vergleichsweise wenig gemüthaft ansprechbar,
verschanzt sich
dann hinter verschiedenen Berichten aus seinem
Leben, die
in
fast prosaischer Weise vorgetragen werden.“ (Bl.745 d. A.)
Weiter wird ausgeführt, dauerhafte
Bindungen des Antragstellers beschränkten
sich auf die Familie, insbesondere
seine Mutter. (Bl. 746 d. A.) …
Zur Frage der Schuldfähigkeit erläutert
Prof. Dr. Rösler:
„(…)
dass bei vorläufiger und vorsichtiger Würdigung derzeit weder unter
konstellativen,
noch unter habituellen Gesichtspunkten begründbare Zweifel
Seite 122 von 134/ 123
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
am vollen
Umfang der strafrechtlichen Verantwortungsfähigkeit des Beschuldigten formuliert werden können.“
Der damalige Verteidiger des
Antragstellers teilte dem Gericht mehrfach (u.a.
in Schreiben vom 26. März 1996, Bl.
870 d. A.) mit, dass der Antragsteller
nach dem gutachterlichen Gespräch
mit dem Sachverständigen Prof. Dr. Rösler
seinen Eltern und seinem Verteidiger
gegenüber geäußert habe, er habe
falsche Angaben gemacht und wisse
selbst nicht warum. (Bl. 870 ff.)
Diese Verhaltensweise des
Antragstellers zieht sich durch das Verfahren und
wird von ihm nicht zuletzt in
zahlreichen Briefen (siehe: Vollstreckungsheft IVV)
immer wieder geschildert. Vor dem
Hintergrund der folgenden Begutachtung
erscheint dieses Verhalten durchaus
relevant. … Prof. Rösler stellte in diesem Zusammenhang erneut fest, er halte
ein sexuelles Interesse des Antragstellers an
L. Vacca für ausgeschlossen. Im
Übrigen könne man aufgrund der erneuten Ex-
Ploration „…mit einiger Sicherheit feststellen, dass sich die diagnostischen
Feststellungen
über den Zustand des Probanden weiter verdichtet haben. …
Seite 123 von 134/ 124
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Letztlich erklärt Prof. Rösler, dass
aus seiner Sicht nichts gegen die strafrechtliche Verantwortlichkeit spreche.
Diesem Untersuchungsergebnis schloss sich die Kammer
(UA S. 42 ff.) an, … .
Seite 124 von 134/ 125
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Die Ausführungen der Kammer
erschöpfen sich diesbezüglich in einer reinen Wieder-
gabe er Passagen aus dem Gutachten. …
Auch haben sich weder Gutachter,
noch Gericht damit auseinandergesetzt, dass die häufigen Falschdarstellungen
dem Antragsteller im Nachhinein selbst unerklärlich erschienen … .
Seite 125 von 134/ 126
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
3. Fall L.
Vacca
a) Wusste die
Polizei von L. Vacca´s Tod vor deren Auffinden?
Die Lektüre der polizeilichen
Beschuldigtenvernehmung des Antragstellers
drängt zu der Annahme, dass der
Polizei bereits vor der Vernehmung des An
Seite 126 von 134/ 127
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
tragstellers Informationen
zugetragen worden waren, wonach L. Vacca bereits
getötet worden war.. So wurde der
Antragsteller bei seiner ersten Vernehmung
beispielsweise gefragt (Bl. 361 ff.
d.A.):
„Wo du (zu)letzt zusammen warst
mir ihr“ und „die hat zuviel gewusst“.
Zu diesem Zeitpunkt war die Leiche
der L. Vacca jedoch noch nicht gefunden
worden und der Antragsteller hatte
auch die Tat noch nicht „gestanden“. Die
Ausdrucksweise des KOK Groß, wenn er
sagt „die hat zuviel gewusst“, lässt
allerdings Rückschlüsse darauf zu,
dass ihm der Tod der L. Vacca zu diesem
Zeitpunkt offenbar schon bekannt
war.
b) Spermaspuren
wurden nie auf andere mögliche Verdächtige untersucht
(Rechtsmedizinisches
Gutachten Prof. Dr. Patzelt, Bl. 850ff)
In Scheide und Mastdarm der L. Vacca
wurde Sperma gefunden, dessen DNA
jedoch ausschließlich daraufhin
untersucht wurde, ob Übereinstimmungen mit
der DNA des Antragstellers
festzustellen seien. In dem rechtsmedizinischen
Bericht war schließlich lediglich zu
lesen, es sei keine entsprechende Fremd-
DNA nachweisbar gewesen. (Bl. 850
ff). Wenn an der Leiche der L. Vacca
derartige Rückstände festgestellt
werden konnten, deutet dies darauf hin, dass
sie vor ihrem Tod ungeschützten Geschlechtsverkehr
gehabt haben muss.
Samenzellen lassen sich aufgrund des
sauren Scheidenmilieus nur bis etwa
Seite 127 von 134/ 128
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
48 Stunden nach dem
Geschlechtsverkehr durch Vaginalabstrich nachweisen.
(Ingo Wirth, Kriminalistiklexikon,
S. 596) Allerdings liegt aufgrund des ungeschützten
Geschlechtsverkehrs die Annahme nahe,
dass sich auch Spuren in der Unterwäsche
des Opfers hätten finden lassen.
Diese wurde jedoch gar nicht erst untersucht.
Es ist daher davon auszugehen, dass
L. Vacca entweder zu später Stunde mit
einem der Männer im Gasthaus
„Mondschein“ oder aber vor der Scheune in Butten-
heim Geschlechtsverkehr gehabt haben
muss. Die Zeugin M. (Bl. 155) hatte angegeben, sie habe den ganzen Tag mit L.
Vacca verbracht und es habe vor ihrer spätabendlichen Verabschiedung im
„Mondschein“ keine Gelegenheit zu Intimitäten gegeben.
Eine Untersuchung der DNA an der
Unterwäsche der L. Vacca hätte möglicherweise
Aufschluss darüber gegeben, wenn L.
Vacca in der besagten Nacht an der Scheune
in Buttenheim noch getroffen hat und
damit wären möglicherweise Erkenntnisse über
die wahren Täter gewonnen worden.
c) Ignorierte
Hinweise auf eine „Tätermehrheit“
Darüber hinaus berichteten
zahlreiche Zeugen, von einer Tätermehrheit im
Fall L. Vacca Kenntnis zu haben. L.
Vacca war zuletzt in der Gaststätte
„Mondschein“ gesehen worden (Zeugin
M., Bl. 158 d. A.). Keine der beschrie-
benen männlichen Personen, mit denen
L. Vacca dort gesehen wur de, passt
Seite 128 von 134/ 129
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
auf den Antragsteller. Eine Lichtbildvorlage
bei der Zeugin M. erfolgte ebenfalls nicht, obwohl sie dies ausdrücklich anbot.
(Bl. 158 d. A.)
Dass auch die Kriminalpolizei
Hinweise auf eine Tätermehrheit hatte, wird aufgrund
der folgenden Äußerung des KOK Groß
in der späteren Vernehmung zum Fall L. Vacca deutlich:
„(…)
mitgenommen hast, habt (!!!) sie versteckt gehalten.“ (Bl. 370 d. A.) Besonderes Gewicht kommt den Aussagen der
Zeugin Metzner (Bl. 158 ff. d. A.) und der Aussage
des M.( Bl. 232 d. A.) zu.
M. Vacca gab an, in den einschlägigen
Kreisen sei bereits am Freitag nach der
Ermordung seiner Schwester bekannt
gewesen, dass L. Vacca tot sei. Laut Protokoll
heisst es zu der Aussage des M.
weiter: „Dazu soll gesagt worden sein, daß man da-
rüber nicht reden solle, da mit
diesen Leuten, die das gemacht hätten, nicht zu spaßen sei.", fährt das
Protokoll fort.
Diese Angaben sind insofern von
besonderer Bedeutung, als zum Zeitpunkt der
Aussage des Zeugen M. bereits in der
Öffentlichkeit bekannt war, dass der Antragsteller ein Geständnis abgelegt
hatte. Auch von einer Freundin von D. Diegel, habe M. das folgende erfahren:
„Eine Frau F. weiß in er Sache mehr. Sie hat Angst. Den Tod … sollen mehr
Personen verursacht haben." (Anh. BI. 237, Aktenvermerk v.13.10.95) Dieser
Hinweis
Seite 129 von 134/ 130
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
wurde erledigt mit dem Vermerk:
„Keine relevante Spur. Hinweis ebenfalls Gerücht.
Informationen F. nur von
Drittpersonen und eigener Meinung."
Über die Zeugin M. gab Zeuge M. an,
er habe von ihr erfahren, dass sie mit L. Vacca zuletzt zusammen gewesen sei.
Aufgrund dessen habe sie Angst. Sie sei der Meinung, dass „die Leute, die die
Lucia Vacca umgebracht hätten, sie möglicherweise auch umbringen könnten.“
Im Übrigen gab M. an, dass: „alles
was er hier wüsste von der Zeugin M. stamme und
die ihm auch gesagt hätte, dass sie
Angst habe die Leute könnten ihr was tun."
(Anhang, BI. 235)
Wenn die Zeugin M. keine über die
Ermittlungen hinausgehenden Kenntnisse hatte,
so ist nicht nachvollziehbar, warum
sie am 11.10.1995 noch Angst hätte haben sollen.
Der vermeintliche Täter, der
Antragssteller, war zu diesem Zeitpunkt ja längst gefasst.
Die Zeugin M. hatte offenbar den
Verdacht, es handele sich um andere Täter etwa aus
der Szene oder um die unbekannten
Männer mit denen L. Vacca an ihrem letzten Abend im „Mondschein“ Streit gehabt
hatte.
Laut Protokoll hatte L. Vacca noch
am Donnerstag vor ihrem Tod „so etwa zwischen
23.45 und 24.00 Uhr" (M.) eine
Unterhaltung mit einem ihr offenbar bekannten Mann begonnen. Die Zeugin M.
beschrieb diese Kontaktperson folgendermaßen:
Seite 130 von 134/ 131
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
„Es handelte sich um einen Mann, ca.
28 - 30 Jahre alt, ca. 180 cm groß, nor-
Male Statur, lange, über die
Schultern reichende, mittelbraune Haare. Die Haare
waren ausgefranst und fettig. Er
hatte einen mittelbraunen Schnurrbart. Bekleidet
war er mit einer schwarzen Jeans und
einem weißen T-Shirt. Außerdem waren mir
ein silberner Ohrring im linken Ohr,
eine silberfarbene Gürtelschnalle mit einem
Bullenkopf und ein silberfarbenes
Halskettchen aufgefallen." (BI. 158 Mitte). Diese Unterhaltung der L.
Vacca bestätigte auch der Zeuge S. sowohl hinsichtlich des Zeitpunktes, als
hinsichtlich der Gesprächspartner (es kamen noch zwei weitere hin-
zu; BI. 175 Zeile 7 und 8).
Der Zeuge S. gab an, sich gegen
24:00 Uhr von L. Vacca verabschiedet zu haben.
(BI. 174 Abs. 4).
Laut der Zeugin M. sei es zwischen
den drei Männern und L. Vacca zu einer laut-
starken Auseinandersetzung gekommen,
in deren Ablauf L. Vacca einen der Männer
laut als „Arschloch“ bezeichnet
habe. Gegen 01.00 Uhr sei die Zeugin M. dann allein gegangen. Dies passt auch
zu den Angaben des Antragstellers, der erklärte, L. Vacca gegen 01.00 Uhr
getroffen zu haben. (Bl. 475)
Außerdem ist im Protokoll über die
Vernehmung der M. (81. 163 unten) nachzulesen:
„
Anschließend wird ihr auch der sichergestellte
Gürtel und die Gürtelschnalle
des Frank Appel
vorgelegt. Sie gibt an, daß der Typ, den die
Seite 131 von 134/ 132
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Lucia am 24.08.95 im „Mondschein" getroffen
hat und mit dem sie sich
über eine
Stunde unterhalten hat, genau die gleiche Gürtelschnalle
getragen hatte.
Sie gibt an, daß diese Gürtelschnallen sehr schwierig
zu bekommen
sind und sie sie vom Rodeoreiten, was sie selbst auch
macht,
kennt.“
Die Aussage A. M.'s, „daß diese
Gürtelschnallen sehr schwierig zu bekommen
sind und sie sie vom Rodeoreiten,
was sie selbst auch macht, kennt."
ist eine zentrale Erkenntnis für die
Polizei: M. muss unter den aufgezeigten
Voraussetzungen den von ihr
beschriebenen Gesprächspartner der L. Vacca
gekannt haben. Rodeoreiten war zum
damaligen Zeitpunkt nicht weit verbreitet
und wurde in der Gegend um Bamberg
hauptsächlich von Mitgliedern der A´s oder
der B´s praktiziert, die in ihrem
Vereinshaus einen Rodeostall betrieben. Die Zeugin M. müsste den Unbekannten
daher gekannt haben.
Dass die Zeugin M. offensichtlich
aus Furcht bestimmte Tatsachen in ihrer Aussage
bei der Polizei verschwieg zeigt
sich auch in folgendem Zusammenhang:
Die Zeugin M. kannte den Zeugen C. Als
sie nach ihm unter Lichtbildvorlage gefragt wurde, (Bl. 161 d. A.), gab sie
zwar an, dass es sich dabei um den „Matze“ (!) handle, verschwieg jedoch, dass
auch dieser an besagtem Abend in der Bar „Mond-schein“ gewesen war. Dies gab C.
später
Seite 132 von 134/ 133
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
jedoch selbst an. (Bl. 147 d. A.)
Auch auf die Frage, ob L. Vacca in letzter
Zeit Kontakt zu A. C. gehabt habe,
log die Zeugin M.:
„Ob
sie derzeit Kontakt mit ihm hat, weiß ich nicht." Und sie bestärkt:
„Mir
ist nur noch der Kontakt bis vor etwa drei Jahren bekannt." (BI. 162
d. A.)
Auffällig ist in diesem
Zusammenhang, dass auch C. die Zeugin M. in seiner Aussage seinerseits nicht
erwähnte. A. C. war ein alter Bekannter der L. Vacca aus Skin-headkreisen, wie
M. angab.
Keine der Personen, mit denen Lucia
Vacca zuletzt vor ihrem Tod Kontakt hatte
und mit denen sie sich sogar noch
stritt, wurde jedoch vernommen.
4.
Wiederaufnahmerechtliche Würdigung
Die bereits im Kapitel zur
Verfälschung des Tatbestands durch das Gericht,
sowie die oben vorgebrachten
Tatsachen, lagen der Kammer sämtlich bereits
vor der Entscheidung in der
Ermittlungsakte vor und wurden dennoch nicht berück-
sichtigt. Auch diese vorgebrachten
Tatsachen haben zur Folge, dass die Taten nicht
dem Antragsteller zur Last gelegt
werden können. Bei entsprechender Berücksich-
tigung kann eine Verurteilung nicht
erfolgen. Aus diesem Grund hat sich die Nicht-berücksichtigung der genannten
Tatsachen negativ für
Seite 133 von 134/ 134
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
den Antragsteller ausgewirkt,
weshalb die vorgebrachten Tatsachen als neu
im Sinne eines Wiederaufnahmegrundes
zu behandeln sind.
D) Antrag auf
Anordnung der Unterbrechung des Strafvollzugs
Der Antrag auf Anordnung der
Unterbrechung des Strafvollzugs wird auf § 360
Abs. 2 StPO gestützt.
Die Vollstreckung des Urteils wird
durch die beantragte Wiederaufnahme des
Verfahrens nicht gehemmt. Die
Unterbrechung der Urteilsvollstreckung ist jedoch
sachgerecht. Der Antragsteller
befindet sich seit dem 30.08.1995 in Haft. Auf Grund-
lage des Wiederaufnahmeantrages wird
deutlich, dass das Urteil in dieser Form
nicht hätte ergehen dürfen. Bereits
vor dem Widerruf des Geständnisses lagen zahl-
reiche unberücksichtigte Tatsachen
vor, die die Täterschaft des Antragstellers wider-
legen.
Die Anordnung der Unterbrechung
ergeht, wenn abzusehen ist, dass der Wiederauf-nahmeantrag mit einiger
Sicherheit (OLG Hamm MDR 1978, 692) oder zumindest mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit (OLG Hamm GA 1970, 309; JMBlNW 1980, 276;
1990, 140; OLG Karlsruhe Justiz
1979, 237; LG Gießen NJW 1994, 465, 467) Erfolg haben wird und deshalb die
Vollstreckung des Urteils ohne Rücksicht auf das Wieder-aufnahmeverfahren bedenklich
erschiene (Gössel LR Rn 4; Meyer-Goßner Rn 3; Eschelbach KMR
Rn 18). Da dies hier der Fall ist, überwiegt das Freiheitsinteresse des
Antragstellers bei weitem das öffentliche Interesse an einer weiteren
Vollstreckung des
Seite 134 von 134
MAGOLD, WALTER & HERMANN
R e c h t s a n w a l t s p
a r t n e r s c h a f t
Urteils des Landgerichts Bamberg vom
26.06.1995. Dies gilt umso mehr im Lichte
dessen, dass der Antragssteller sich
aktuell bereits seit über 21 Jahren durchgehend
in Haft befindet.
Dr. Malte Magold
Rechtsanwalt & Fachanwalt für
Strafrecht
Matthias:
Zum Antrag auf Wiederaufnahme des
Verfahrens
des Herrn RA Dr. M.
Magold, Ostendstraße 196,
90482 Nürnberg
Obwohl ich zu meiner
Angelegenheit schon tausende Seiten zur Erklärung aufgeschrieben habe, muss ich
immer wieder feststellen, dass ich viele Aspekte noch nicht ausreichend
thematisiert habe. Ein wesentlicher Punkt ist das, was man mir als „Geständnis“
an-
lastet.
Die juristische
Architektur des Antrages macht nun aus formalen Gründen einen Geständniswiderruf notwendig. Darin liegt jedoch die Gefahr,
dass die gesamte Beweiskraft - und wenn sie noch so klar belegt, dass ich nicht
der Täter sein kann - in der Ba- nalität des Vorwurfes „ein Geständnis abgelegt
zu haben“ verloren geht.
Verantwortliche Beschuldigtenvernehmung
Dieses sogenannte
„Geständnis“ geht auf die Beschuldigtenvernehmung zurück, die am Tag meiner
Festnahme - die ganze Nacht durch bis zum Tagesanbruch des nächsten Tages
- geführt wurde.
Im Gegensatz zu
anderen Vernehmungen die direkt „Wort für Wort“ zu Protokoll gegeben werden (z.B. auch Zeugenaussagen), hat die Kripo
zu dieser Beschuldigtenvernehmung ein Band mitlaufen lassen, welches im
Nachhinein von einer Sekretärin abgetippt und zu Papier gebracht wurde. Erst
durch die Unterschrift der vernehmenden Kripobeamten, sowie die der Sekretärin und
natürlich auch durch meine Unterschrift, wird aus diesem zuvor wertlosen Stück
Papier (formaljuristisch) ein verwertbares
Geständnis.
Die Unterschrift
Es ist doch nur
selbstverständlich, dass eine Vernehmungsniederschrift zur Kontrolle nochmal
durchgelesen und dann unterschrieben wird - und zwar von ALLEN Beteiligten!
Vom Beschuldigten
(also von mir!), genauso wie von den vernehmenden Kripobeamten - und auch die
Sekretärin bekundet mit ihrer Unterschrift ihre Verantwortung für die
Niederschrift. Andernfalls könnten verantwortliche Kripobeamte eine gefälschte
Vernehmung aufschreiben und dem Beschul-digten jegliche Aussagen unterstellen,
die später zu einer Verurteilung führen.
Tatsächlich wurde
mir die Niederschrift der Beschuldigtenvernehmung NIE! zur Kontrolle vorgelegt
und ich konnte sie auch nie unter-schreiben. Auch die Sekretärin hat ihre
Unterschrift offensichtlich verweigert. Lediglich der Kripobeamte Groß unterzeichnete (als einziger) die Vernehmungsniederschrift
mit seinem Namen. Er übernimmt damit nicht nur formal die Verant-wortung. Auch
inhaltlich gehen viele Informationen „nicht auf mich“!, son-dern auf Groß zurück.
Unvollständig
Gleich auf den ersten Blick fällt auf, dass die Niederschrift mit „Fortsetzung der Beschuldigtenvernehmung“ betitelt ist.
Das Doku- ment ist also unvollständig und es lässt sich nicht mehr
rekonstruieren wie viel fehlt oder ob schon bedeutende Aussagen gefallen sind. Zum
Anfang und zum Ende der Vernehmung sowie zu den jeweiligen Bandwechseln werden
Zeitangaben gemacht. Diese Angaben sind widersprüchlich und sie bestätigen,
dass es sich beim Titel keineswegs nur um einen Leichtsinnsfehler handelt, der
sich aus Versehen eingeschlichen haben könnte!
Im Übrigen wird auch
erklärt: „Wir lassen das Tonband nach wie vor weiterlaufen“ Es fehlt aber nicht
nur das, was der „Fortsetzung der Beschuldigtenvernehmung“ vorangegangen ist.
Beim Lesen der Niederschrift stößt man immer wieder auf radikale Brüche, so als
hätte man aus einem Buch mehrere Seiten herausgerissen. Zu dem beziehen sich
die Kripobeamten bei der Vernehmung mehrmals auf „schonmal“ oder „gerade erst“ Gesagtes, was aber in der Niederschrift
nirgendwo zu finden ist.
„Punkt-Punkt-Punkt-Sätze“
Es wurden aber nicht
nur wichtige Sätze und Aussagen gelöscht. Auch vorhandene Sätze wurden bis zur
Unkenntlichkeit in ihrer Substanz mit Punkt-Punkt-Punkt-Auslassungszeichen (…)
gekürzt.
Ich persönlich beende
einen Satz mit „…“ um zu
kennzeichnen, dass sich z.B. eine Aufzählung noch länger fortführen lassen
würde.
Literarisch
akzeptiere ich „...“ auch als
Kennzeichen, um momentanes Schweigen in einem Satz anzuzeigen, z.B. wenn ein
zweiter Satz als „ins Wort fallen“ mit eingefügt werden soll.
Drei Auslassungspunkte zeigen lt. Regel an, dass in einem
Wort, in einem Satz Teile ausgelassen worden sind oder sogar ganzer Text!
Man könnte annehmen,
dass die Bandaufnahme zum Teil unverständlich ist und dies mit „…“ ersetzt wurde. Dem steht jedoch entgegen,
dass Unverständliches auch tat-sächlich in Klammern mit dem Hinweis „(unverständlich)“
oder „(nicht verständlich)“ gekennzeichnet ist. Im Übrigen wurde auch ausdrücklich
die Anmerkung „(flüstert)“ gemacht, woraus sich schließen lässt, dass
die Bandaufnahme sehr gut funktioniert hat.
die Bandaufnahme sehr gut funktioniert hat.
Alles in allem mag
meine Bewertung dieser „…“ in der
Niederschrift der Beschuldigtenvernehmung zunächst etwas kleinlich wirken. Aber
wenn in einem 100-Seiten-Protokoll 427
Sätze (!) mit Auslassungspunkten markiert werden, zum Teil schon am
Satzanfang, zum Teil auch mehrmals innerhalb eines Satzes und 290 Sätze ganz einfach mit … enden, dann ist das Protokoll als Fundament für eine Anklage und
eine Verurteilung untauglich. Selbst zu Aussagen von allerhöchster Brisanz hält
man es nicht für nötig mal nachzufragen, was denn da gesprochen wurde und
notiert stattdessen nur „(murmelt etwas Unverständliches)“.
Die
Beschuldigtenvernehmung (das „Geständnis“?!) ist also nicht nur unvollständig. Sie ist
durch „…“-Sätze verstümmelt und nur
noch in Fragmenten vorhanden.
Wer würde sowas
unterschreiben?
Der Sinn, eine
Vernehmung zunächst auf Band aufzunehmen und erst dann schriftlich zu
protokollieren ist es, die Aussage so genau wie möglich festzuhalten. Üblicherweise
werden sogar Dialekte, Mimik und Gestik
des Beschuldigten, sowie das kleinste Räuspern des Beschuldigten vermerkt.
Danach die sog. “Spreu
vom Weizen zu trennen ist allerdings nicht die Aufgabe eines Kripobeamten, oder
der Sekretärin, sondern
des Gerichts. Bereits aus dieser Grundmaxime, die jeder Polizist von der Pieke an beherrscht, lässt sich nur ein absichtliches Vertu- schungsmanöver annehmen.
des Gerichts. Bereits aus dieser Grundmaxime, die jeder Polizist von der Pieke an beherrscht, lässt sich nur ein absichtliches Vertu- schungsmanöver annehmen.
Angedichtet und umgeschriebener
Dialekt
Die meisten Menschen
tun sich schwer damit, sich selbst auf Bandaufnahmen zu hören oder ihre eigene
Redensart zu lesen. Offenbar war auch dem Kripobeamten Groß sein eigener
Dialekt unangenehm. Zur Beschuldigtenvernehmung sprach er mit mir in einem
be- sonders niveaulosen Dorfdeppen-Dialekt und zwar nicht nur in der Sprache.
Sondern auch im Gebrauch besonders primitiver Worte und Aussagen.
In der Vernehmungsniederschrift
werden nun die Kripobeamten Dippold und Groß
in mäßigem Hochdeutsch wiedergegeben. Hingegen dichtet man MIR einen besonders „geistig minderbemittelten“
Dialekt an, so als wäre ich kaum fähig, mich verständlich zu artikulieren. Mir
werden sogar Begriffe unterstellt (z.B. „geplöscht“), die in meinem
Sprachgebrauch noch nicht mal existieren! Das Wort „Muttersprache“ bringt
bereits zum Ausdruck, dass die kulturelle Sprachprägung durch Eltern gegeben
wird. Auch meine Eltern spre- chen diesen Gossendialekt nicht.
Der Vogel wird
jedoch Blatt 417 der Ermittlungsakte mit einer angeblichen Äußerung
abgeschossen! Mir wird einfach die Aussage: „Ja, do wor er so vreckt halt“
unterstellt! Es ist in dieser Aussage von der Leiche F. Appels die Rede. Ich
würde es mir nie erlauben mit derart schändlichen Begriffen so geringschätzig
über einen verstor-benen Menschen zu sprechen! Jeder der mich kennt, weiß das.
Solche Satzschöpfungen haben vermutlich den Zweck, mich als niederträchtigen
und abgestumpften Mörder darzustellen.
Es geht mir nicht
darum meine fränkische Herkunft zu verleugnen und ein umgeschriebener Dialekt
wirkt zunächst vielleicht bedeu- tungslos. Für ein nicht unterschriebenes „Geständnis“ wiegt eine solche Manipulation jedoch
sehr schwer! Schließlich wurden mir in der Niederschrift nicht nur ein falscher
Dialekt und fremde Worte angedichtet, es wurden ganze Absätze mit hinzu-gefügt, die NIE! gesprochen wurden.
Nahtlos vom „Zeugen“ zum
Beschuldigten gemacht
Bereits als mich die
Kripo zuhause geholt und festgenommen hat, wurde ich nach dem Schlüsselbund
gefragt, den Günther Schmidt in der Nacht des Mordes am „unbekannten Opfer“ bei mir im Auto
zurückgelassen hat. Nur so lässt sich auch erklären, wie die Kripo überhaupt
auf -mich- gekommen ist.
Als „Zeuge“ habe ich zunächst versucht mich aus dem
ganzen Tatgeschehen so gut wie möglich raus zu halten und gab vor, angeblich von nichts zu wissen. Dies ist
mir aber nicht sehr gut gelungen und ich habe mich wirklich blöd angestellt –
zumal mich die Kripobeamten (aus damals unerklärlich Quellen) immer wieder mit
Wissen zum Mord am „unbekannten Opfer“ (Täterwissen der Kripo) in Bedrängnis
gebracht haben.
Heute ist mir
natürlich klar, dass die Kripo, genauso wie der Staatsanwalt Müller-Daams vom
allerersten Augenblick an über das Tatgeschehen durch Günther Schmidt
informiert wurden (er wollte seinen Schlüsselbund wieder zurück haben!!!).
Damals kannte ich
aber seinen Namen noch nicht – und so konnte ich nichts anderes tun, als sein
Profil in einer Täterbeschreibung
zu Protokoll zu geben. Günter Schmidt war BKA-Beamter und so wussten Dippold und Groß natürlich sehr genau wen ich ihnen
beschrieben habe. Trotzdem wurde ich von ihnen als „Lügner“ beschimpft und man hat mir unterstellt, ich würde mir diese Täterbe-schreibung nur ausdenken.
zu Protokoll zu geben. Günter Schmidt war BKA-Beamter und so wussten Dippold und Groß natürlich sehr genau wen ich ihnen
beschrieben habe. Trotzdem wurde ich von ihnen als „Lügner“ beschimpft und man hat mir unterstellt, ich würde mir diese Täterbe-schreibung nur ausdenken.
Diese Beschreibung
habe ich etliche Male wiederholen müssen und auch die Nacht hindurch, wenn ich
in der Vernehmung Anschul-digungen widersprochen habe, wurde ich immer wieder
cholerisch angeschrien, „man müsse dann halt mit der Vernehmung wieder von
vorne anfangen“ und man hat von mir gefordert, diese Täterbeschreibung eben
nochmal abzugeben.
Dabei handelt es
sich nicht um ehrlich gemeintes Sammeln von Informationen. Dieses Vorgehen hat
einzig und allein den Zweck, Erschöpfung und Stress zu erzeugen.
Für das „Geständnis“ vernichtet
Als Verurteilter bin ich gesellschaftlich tot und habe jegliche Glaubwürdigkeit
verloren. Umso dringender stellt sich daher bei aller Skepsis die Frage: WARUM habe ich bis hin zur Selbstbezichtigung die Schuld für zwei Morde auf mich genommen
– wenn ich sie doch nicht begangen habe?!
Bereits im Jahr 2007 habe ich mit meinem Text „Der Verlust der inneren
Selbstbestimmung“ versucht, Licht in psychische Mechanismen zu bringen.
Da ich es mit der Beschuldigtenvernehmung selbst durchlebt habe, weiß
ich, dass in Wirklichkeit nicht der eine, große Zusam-menbruch stattfindet. Vielmehr handelt es sich um mehrere kleine
Realitätsbrüche, die sich so nach und nach schleichend zum großen Ganzen
summieren.
Inzwischen ist mir bekannt, dass die Bayerische Polizei nach US-amerikanischem
Vorbild speziell in der „psychischen Vernichtung“ geschult wird (Reid-Methode").
Schon am Nachmittag, mit Beginn der „Zeugen“-Vernehmung, habe ich
ununterbrochen (als Zeuge!) Angaben gemacht und Rede und Antwort stehen müssen. Während sich die Kripobeamten
immer wieder abgewechselt haben, habe ich pausenlos bis tief in die Nacht
immerzu meine Aussagen wiederholen müssen.
So kam zum Dehydrieren durch das immerwährende Sprechen auch die
vollkommen natürlich körperliche Erschöpfung mit hinzu.
Zu einem nicht mehr genau feststellbarem Zeitpunkt in der Nacht, ging
die „Zeugen“-Vernehmung unmerklich in die Beschuldigten-vernehmung über. In
dieser Phase ist die Erschöpfung schon viel zu weit vorangeschritten, um den
Moment zu erkennen, wenn es unbedingt nötig ist, einen Anwalt als Zeugen der Vernehmung
hinzu zu holen.
Wer aber glaubt, durch „nichts- mehr- sagen“ aus der Sache rauszukommen,
der irrt! Wer nicht mehr spricht, der gibt damit also bereits die verbale
Verteidigung auf. Der Realitätsbruch kann sich weiter vertiefen.
Auch mir ging durch diese Prozedur Stück für Stück der klare Gedanke verloren
und das Gehirn hat nicht mehr richtig gearbeitet. So habe ich es dann stoisch
und ohne den geringsten Zweifel hingenommen, als man mir in der Vernehmung
(ohne ersichtlichen Grund!) mitteilte, dass es überhaupt nicht mehr um die
Frage ging ob ich schuldig oder unschuldig wäre, sondern nur noch um das Ausmaß meiner
Schuld.
Tatgeschehen contra
„Geständnis“
Das Gehirn ist auch nur ein Organ, das nach vielen Stunden
Dauerleistung (genau wie Muskeln) schwächer wird und letztendlich vollständig
Kraft verliert. Da ich kein Übermensch bin, war mir die Denkleistung
abhanden gekommen um die Behauptung,
ich wäre Beschuldigter, noch in Frage stellen zu können. Das „Nein-Sagen“ habe
ich zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon lange aufgegeben. Im Übrigen hat auch die
äußere Situation zur Behauptung gestimmt. Ich habe mich bis tief in die Nacht
so oft anschreien und als Lügner beschimpfen lassen müssen, alles hat dafür gesprochen,
dass man mich für schuldig hielt.
Um mir aber entgegenzukommen, sprachen Dippold und Groß zunächst davon,
dass ich mich angeblich mit F. Appel nur hätte prügeln wollen und er dann -
sozusagen aus Versehen - verstorben sein soll. Groß spielte diese Version in
seinem primitiven Gossendialekt (lt. Protokoll) mit dem Wort „gepatscht“
herunter.
Man ist mir sogar noch weiter entgegengekommen und deutete den Tathergang
in Richtung Notwehr um! Demnach sollte F. Appel mit einem nicht genauer interpretierbaren Gegenstand auf mich eingeschlagen haben. Im
weiteren Verlauf der Beschul-digtenvernehmung wurde aus dem Gegenstand ein
Werkzeug (Hammer) mit dem dann nicht mehr F. Appel auf mich, sondern ich auf ihn – eingeprügelt haben soll.
Groß modifizierte den Hammer (in Frageform) in ein „Maurerbeil“ um –
und wechselte schließlich zu „Beil“.
Im weiteren Verlauf der Vernehmung besteht er immer wieder darauf, dass es sich
um ein „Beil“ handelt. Woher hat er dieses Wissen?
Nochmal zur Verdeutlichung
- Ich soll (lt.
Klageschrift und Urteil) F. Appel bereits am 20.08.1995 mit ei
nem Beil ermordet haben.
- Der Zeuge „B.“ hat
am 21.08.1995 ein Beil gefunden, welches man als
Tatwaffe ausgemacht haben will.
- Der Leitende
Oberstaatsanwalt Müller-Daams (höchstpersönlich!) doku-
mentiert in den Ermittlungsakten, dass F.
Appel zuletzt am 23.08.1995 (!)
lebend gesehen wurde.
- Nach der
Sterbefallanzeige der Kripo (Erm.-Akte Bl. 007) wurde F. Appel
am 26.08.1995 tot aufgefunden. Beim Auffinden der Leiche
hat der Land
gerichtsarzt (ebenfalls höchstpersönlich!)
festgestellt, dass die Totenstarre
in den Kniegelenken noch vorhanden war!
- Ein Opfer, dem mit
einem Beil (plötzlich und unerwartet) der Schädel ein
geschlagen wird, setzt sich nicht mehr durch
Prügel zur Wehr, noch kann
es auch nur mehr weglaufen. Vielmehr fällt
ein Mensch unter solchen Be-
dingungen wehrlos zu Boden. Dieser Tatablauf
war eine Idee von Dippold
und von Groß, um mir vorzutäuschen, dass es sich
nicht um Mord, son-
dern lediglich um einen Unfall handelt, der
halt in einer Prügelei gesche-
hen sein soll, die eben aus dem Ruder
gelaufen wäre.
Als ich am
28.08.1995 daheim geholt und festgenommen wurde, lagen die Ermittlungsergebnisse
bereits vor.Trotzdem unterstellte mir die Kripo (und später auch der LOStA
Müller-Daams) der Täter des Mordes an F. Appel zu sein und konstruierte dazu
wider besseren Wissens eine Geschichte, die mit KEINEM! der schon vorliegenden Ermittlungsergebnisse
zusammenpasst (Todeszeitpunkt, Todesursache, Verletzungsbild, Zeugenaussagen usw). Selbst wenn ich derjenige
gewesen wäre, der sich diesen gefälschten Tathergang ausgedacht und aus freien Stücken zu Protokoll gegeben
hätte, hätte man mir augenblicklich unterstellen müssen, dass diese Geschichte
nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt und komplett gelogen ist.
Die Kripobeamten Dippold und Groß vertuschten damit einen Mord (den vom
20.08.1995) an einem mir unbekannten Opfer und deckten ihren Kollegen Günter
Schmidt. Dazu dachten sie sich einen Tathergang aus, der den zu diesem
Zeitpunkt bereits vorliegenden Fakten aufs Gröbste widerspricht und unterstellten
mir, ICH hätte diese Geschichte so „gestanden“.
Ist es das, was man sich unter einem „Geständnis“
vorstellt?! Um dem Ganzen
die Krone aufzusetzen ist dieses Protokoll – die verantwortliche
Beschuldigtenvernehmung - mit Ausnahme von Groß - wie bereits gesagt – noch nicht einmal unterschrieben!
Zum Mordvorwurf im Fall „L. Vacca“
Zum Mord an L. Vacca haben sich Kripo und Staatsanwaltshaft keine Mühe
mehr gegeben (im Gegensatz zum Fall „F. Appel“), den Tathergang fantasievoll
auszuschmücken.
Mit wird unterstellt, ich hätte L. Vacca mitten in der Nacht, draußen
in der freien Natur, auf einem abgelegenen Feld positioniert und hätte mich
dann entfernt um mich nach einem Gegenstand umzusehen, mit dem ich sie dann
ermorden könnte. Nachdem ich nach unbe- stimmter Zeit mit einem Stein
zurückgekommen sein soll, soll L. Vacca noch immer unbewegt in die Nacht
starrend dagestanden haben, ohne nachzufragen wo ich gewesen wäre und ohne sich
nach mir umzusehen (starr wie eine Salzsäule) und so wäre ich wohl an sie
herangetreten und hätte sie erschlagen.
Eine reale Schilderung des Geschehens die sich an die Wirklichkeit des
Lebens hält, ist hier nicht mehr notwendig. Nachdem ich bereits im Fall „F.
Appel“ schuldig gemacht wurde, war eine Beschreibung der Tat zum Fall „L.
Vacca“ nur noch eine eiskalt berechnete Form- sache.
Grund:
Zum Vorwurf des Mordes verlangt die Gesetzgebung als Mordmerkmal ein
Tatmotiv. Da aber keines der sonst üblichen, lebensnahen Motive vorgebracht
werden konnte, machte man mir im Fall „F. Appel“ „nur“ einen Totschlag zum
Vorwurf. Ein Totschlag kann auch ohne Mordabsicht geschehen und benötigt daher
kein Tatmotiv. In der Folge erklärt man dann diesen Totschlag zur Vertuschung der
Tat als Motiv für den Mord an L. Vacca.
Derart juristische
Intrigen waren mir damals im Jahr 1995 zur Beschuldigtenvernehmung absolut
unbekannt. Stellt man sich so eine „Geständnis“ vor?
Die Drogenkommission
Als F. Appel tot aufgefunden wurde, gab der Pressesprecher der Kripo
Bamberg gleich zu Beginn der Ermittlungen mit der allerersten Zeitungsmeldung
bekannt die Kripo gehe davon aus, dass es sich um eine Tat im Drogenmilieu
handelt und so werde aufgrund der besseren Kenntnisse der Bamberger Drogenszene
die Drogenkommission ermitteln. Rückblickend betrachtet war man wohl eher der
Meinung, die Drogenkommission ist besser geeignet um den ganzen Vorfall zu
vertuschen.
Protokoll-Formulare aus den Ermittlungsakten belegen ungeschönt wie bedeutende
Zeugen einfach abgewimmelt wurden. Hochbrisanten Angaben von wichtigen Zeugen
(auch von Familienangehörigen der Opfer!) wurde überhaupt nicht oder nur mit
ablehnender Haltung nachgegangen.
Z.B. erzählte die
Vermieterin eines Zeugen (der eigentlich ein hochgradig Verdächtiger ist!), dass sie der Kripo
die Wohnungstür aufgesperrt hat. Es hat sich gezeigt, dass die Wohnung
offensichtlich ein Treffpunkt für Junkies war. Zu allerlei Drogenutensilien
stolperte die Kripo sogar über Spritzen. Drogenfunde wurden also bewusst ignoriert
(aktenkundig!). Während der Beschuldigtenvernehmung wurde mir trotzdem unterstellt,
ich würde als Schutzbehauptung Drogengeschichten erfinden und letzt-endlich
habe ich dann sogar selbst geglaubt, den ein- oder anderen Joint der beiden
Opfer überbewertet zu haben
In meiner Zeugenaussage habe ich vor der Beschuldigtenvernehmung noch
erklärt, dass das gesamte Tatgeschehen mit Drogen und viel Geld im Zusammenhang
steht. Tatsächlich hat die Kripo am Auffindeort der Leiche des F. Appel (lt.
Ermittlungsakte) eine größere Menge Geld in Scheinen gefunden! Wie viel gemeint
ist, wurde nicht angegeben. 100 Euro sind
keine große Menge Geld, 1000 Euro sind im Drogenhandel auch nicht viel.
Vielleicht 100.000 Euro? Das Geld nahm Galster an sich („in seinen
Schreibtisch“!). In das Spu- ren-/Asservatenverzeichnis ist es nicht aufgenommen.
Schon zu meiner Zeugenaussage wurde ich von der Kripo für meine Angaben
zur Drogenkriminalität der beiden Opfer feindselig angezweifelt. Meine Täterbeschreibung zu Günter
Schmidt hat man mir so oft in aggressiven Schuldzuweisungen zum Vorwurf
gemacht, bis ich es selbst bedauert habe eine Täterbeschreibung abgegeben zu
haben. Als bei der Vernehmung das Interesse an seiner Tatbeteiligung nachließ
(und schließlich ganz verschwand) erschien es mir wie eine Erleichterung. Tat-sächlich
wurde er aber mit diesem Trick aus dem Tatgeschehen komplett herausgelöscht –
als hätte er nie existiert.
Die Drogenkommission hat es auf Äußerste vermieden, ehrlich zu ermitteln und Licht ins Tatgeschehen zu
bringen. Stattdessen hat man sogar
mit Beweismittelvernichtung und Aktenunterdrückung Kahlschlag betrieben und
verbrannte Erde hinterlassen.
Konspirative Machenschaften
Einfach nur ein Paar kriminelle Polizisten, die die Seiten wechseln und
dann im Drogenmilieu mitverdienen, gibt es nur im Film. Um ge- meinsam Straftaten
zu begehen, braucht es auch die Unterstützung durch z.B. die Staatsanwaltschaft.
Tatsächlich hat in meinem Fall der Leitende Oberstaatsanwalt Müller-Daams seinen Beitrag geleistet.
Noch während des laufenden Verfahrens - mit offenem Ausgang - ordnete er die Vernichtung von
Beweisgegenständen an. Schon auf die Vernichtung von Beweisen stehen bis zu
fünf Jahren Haft! Auch Zeugenaussagen von höchster Wichtigkeit und Protokolle sind aus den Ermittlungsakten
verschwunden.
So liegt z.B. zur Leichenobduktion nur ein „Vorläufiges
Ergebnis“ vor. In den Ermittlungsakten (Bl. 035) heißt es:
„Nach der Obduktion ergeht der mündliche Auftrag des anwesenden Leitenden
Oberstaatsanwalts, daß nach Abschluß der erfor-derlichen Untersuchungen ein
abschließendes schriftliches Gutachten zu erstatten ist, wobei darum gebeten
wird, die Ergebnisse der Untersuchungen unaufgefordert den Ermittlungsbehörden
und dem Landgerichtsarzt schriftlich mitzuteilen.“
Dieses „abschließende Obduktionsgutachten“ stand mit
Sicherheit in krassem Widerspruch zum Tatvorwurf, wonach ich F. Appel am 20.08.1995
erschlagen haben soll.
Dem echten Todeszeitpunkt zufolge, aber auch bei genauer
Betrachtung des Verletzungsbildes, hätte ich nicht mehr beschuldigt und
verurteilt werden können. Daher musste dieses abschließende Gutachten
verschwinden. Es fehlt in den Ermittlungsakten. Man hat es sogar vermieden, in
der Hauptverhandlung den verantwortlichen Obduzenten, Herrn Prof. Schulz, als sachverständigen Zeugen zu diesen abschließenden
Fragen zu hören. Statt dessen begnügte man sich mit den Aussagen des
Landgerichtsarzt Dr.Honus. Aber auch ER wusste sehr genau, dass die Tatvorwürfe
nach der Anklageversion des Herrn Müller-Daams noch nicht einmal im Ansatz mit
den wirklichen Obduktionsbefunden übereinstimmen können. Trotzdem hat Dr.Honus
in der Verhandlung dazu geschwiegen.
Der Mündlichkeitsgrundsatz
Kein noch so zurecht-manipuliertes „Etwas“, das man dann als
„Geständnis“ bezeichnen möchte, hat für die Anklage irgendwelchen Nutzen, denn
am Schluss steht noch immer der "Mündlichkeitsgrundsatz“.
Dieser besagt, dass das Gericht über den Prozessgegenstand
aufgrund der Verhandlung, d.h. NUR! aufgrund des mündlich vorge-tragenen
und Erörterten entscheiden darf (§§ 261, 264 StPO). Die gesamte Beweisaufnahme
hat also in mündlicher Verhandlung bei gleichzeitiger Anwesenheit des Angeklagten,
der Richter, der Staatsanwaltschaft, eines Urkundsbeamten und eines
Verteidigers zu geschehen (§ 226 StPO).
Rechtshistorisch liegt dem Mündlichkeitsgrundsatz der Gedanke zugrunde,
dass alles zur Sprache gebracht werden muss, um einerseits eine sachgerechte
Verteidigung zu ermöglichen und andererseits, damit vom erkennen-den Gericht
auch ein URTEIL er-
wartet werden kann - und gerade KEIN „Vor“-Urteil in dem Sinne, dass man sich nur auf eine Sammlung, Sichtung, Auswahl und „Vor“-Bewertung (Anklageschrift) durch dritte Personen beruft.
wartet werden kann - und gerade KEIN „Vor“-Urteil in dem Sinne, dass man sich nur auf eine Sammlung, Sichtung, Auswahl und „Vor“-Bewertung (Anklageschrift) durch dritte Personen beruft.
Zentrale Norm des Mündlichkeitsgrundsatzes ist § 249 Abs. 1StPO, wonach
Urkunden und andere als Beweismittel dienende Schriftstücke in der
Hauptverhandlung vollständig (!) zu verlesen sind. Der Beschuldigte muss – auch
wenn er bereits im Ermittlungsverfahren ausgesagt hat (sogar dann, wenn er die
Abschrift der Beschuldigtenvernehmung unterschrieben hätte!)
seine Aussage in der Hauptverhandlung mündlich formulieren.
seine Aussage in der Hauptverhandlung mündlich formulieren.
Obwohl die Prozessökonomie eher dafür spricht einen Anwalt aus Bamberg
zu beauftragen, hat mir das Gericht als Pflichtverteidiger den Anwalt Carsten
Schieseck aus dem ca. 50 km entfernten Bayreuth zugewiesen. Inzwischen ist mir
bekannt, wenn man eine ehrliche Verteidigung eines Angeklagten verhindern will,
holt man als Verurteilungs-Erfüllungshelfer“ Carsten Schieseck aus Bayreuth.
Wie schon in meinem
Text „Mandantenverrat“ ausführlich beschrieben, hat Schieseck alles dafür
getan, um meine Verurteilung sicherzustellen. So erklärte ich dann in der
Verhandlung „ich bin mir meiner Schuld bewusst“, was im Grunde NICHTS bedeutet.
Doch damit wird vom Gericht unter dem Vorsitz von Konrad Dengler rechtlich-formal
ALLES, was mir als „Geständnis“ angelastet wird (jede Sauerei) zum belastbaren
„Geständnis“. Niederträchtiger kann Juristenpfusch kaum noch sein!
Die Leichtigkeit eines
Freispruchs
Tatsächlich wäre es meiner Überzeugung nach so unfassbar leicht gewesen,
einen Freispruch zu erreichen! Die Anklageschrift (und in der Folge auch das
Urteil) beruft sich beinahe ausschließlich auf diese manipulierte
Beschuldigtenvernehmung. Da sie von mir nicht unterschrieben ist, ist sie im
Grunde nicht mehr wert als eine Rolle Klo-Papier. Zur Verteidigung hätte es
genügt, die Zustimmung zur Verwertung dieses Papieres zu verweigern. Somit
hätte nichts mehr gegen mich vorgelegen, da alle vorliegenden Fakten aus den
Ermittlungen GEGEN meine Schuld sprechen.
Ich bin jetzt gezwungen, dieses mir angelastete „Geständnis“ zu widerrufen.
Diesen Widerruf nicht anzuerkennen würde bedeuten, das geschehene Unrecht
aufrecht zu erhalten, den Mord an einem unbekannten Opfer weiterhin zu vertuschen,
die wahren Mörder davon kommen - und bandenmäßig organisierte Kriminalität
innerhalb der Rechtsinstitutionen weiterhin gewähren zu lassen.
Mai 2017
Matthias
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen